Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten. Anwendungsbereich. Ausnahmen. Tätigkeiten, die nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen. Die nationale Sicherheit betreffende Tätigkeiten. Vom Parlament eines Mitgliedstaats eingesetzter Untersuchungsausschuss. Zuständigkeit der Datenschutz-Aufsichtsbehörde. Recht auf Beschwerde bei einer Aufsichtsbehörde. Unmittelbare Wirkung

 

Normenkette

AEUV Art. 16; EUVO 679/2016 Art. 2 Abs. 2 Buchst. a; EUV Art. 4 Abs. 2; EUVO 679/2016 Art. 23 Abs. 1 Buchst. a, h, Art. 51, 55, 77

 

Beteiligte

Österreichische Datenschutzbehörde

Österreichische Datenschutzbehörde

WK

 

Tenor

1.Art. 16 Abs. 2 Satz 1 AEUV und Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung)

sind dahin auszulegen, dass

nicht angenommen werden kann, dass eine Tätigkeit allein deshalb außerhalb des Anwendungsbereichs des Unionsrechts liegt und damit der Anwendung dieser Verordnung entzogen ist, weil sie von einem vom Parlament eines Mitgliedstaats in Ausübung seines Kontrollrechts der Vollziehung eingesetzten Untersuchungsausschuss ausgeübt wird.

2.Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung 2016/679 im Licht des 16. Erwägungsgrundes dieser Verordnung

ist dahin auszulegen, dass

die Tätigkeiten eines vom Parlament eines Mitgliedstaats in Ausübung seines Kontrollrechts der Vollziehung eingesetzten Untersuchungsausschusses, die der Untersuchung der Tätigkeiten einer polizeilichen Staatsschutzbehörde aufgrund des Verdachts politischer Einflussnahme auf diese Behörde dienen, als solche nicht als die nationale Sicherheit betreffende Tätigkeiten im Sinne dieser Bestimmung anzusehen sind, die außerhalb des Anwendungsbereichs des Unionsrechts liegen.

3.Art. 77 Abs. 1 und Art. 55 Abs. 1 der Verordnung 2016/679

sind dahin auszulegen, dass

diese Bestimmungen, wenn ein Mitgliedstaat im Einklang mit Art. 51 Abs. 1 DSGVO bloß eine einzige Aufsichtsbehörde eingerichtet hat, sie aber nicht mit der Zuständigkeit für die Überwachung der Anwendung dieser Verordnung durch einen vom Parlament dieses Mitgliedstaats in Ausübung seines Kontrollrechts der Vollziehung eingesetzten Untersuchungsausschuss ausgestattet hat, dieser Behörde unmittelbar die Zuständigkeit übertragen, über Beschwerden betreffend von diesem Untersuchungsausschuss durchgeführte Verarbeitungen personenbezogener Daten zu befinden.

 

Tatbestand

In der Rechtssache C-33/22

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgerichtshof (Österreich) mit Beschluss vom 14. Dezember 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 14. Januar 2022, in dem Verfahren

Österreichische Datenschutzbehörde

gegen

WK,

Beteiligter:

Präsident des Nationalrates,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten L. Bay Larsen, der Kammerpräsidentin K. Jürimäe, der Kammerpräsidenten C. Lycourgos, E. Regan und N. Piçarra, der Richter M. Ilešič und P. G. Xuereb, der Richterin L. S. Rossi (Berichterstatterin), der Richter I. Jarukaitis, A. Kumin, N. Jääskinen und N. Wahl, der Richterin I. Ziemele sowie des Richters J. Passer,

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: D. Dittert, Referatsleiter,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. März 2023,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • –        der Österreichischen Datenschutzbehörde, vertreten durch A. Jelinek und M. Schmidl als Bevollmächtigte,
  • –        von WK, vertreten durch Rechtsanwalt M. Sommer,
  • –        des Präsidenten des Nationalrates, vertreten durch C. Neugebauer und R. Posnik als Bevollmächtigte,
  • –        der österreichischen Regierung, vertreten durch A. Posch, J. Schmoll S. Dörnhöfer und C. Leeb als Bevollmächtigte,
  • –        der tschechischen Regierung, vertreten durch O. Serdula, M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
  • –        der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Bouchagiar, M. Heller und H. Kranenborg als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 11. Mai 2023

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 16 Abs. 2 Satz 1 AEUV sowie von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a, Art. 51 Abs. 1, Art. 55 Abs. 1 und Art. 77 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. 2016, L 119, S. 1, berichtigt in ABl. 2018, L 127, S. 2, im Folgenden: DSGVO).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Österreichischen Datenschutzbehörde (im Folgenden: Datenschutzbehörde) und WK über die Zurückw...

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