Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Sozialpolitik. Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. Diskriminierung wegen des Alters. Festsetzung der Ruhegehaltsansprüche ehemaliger Beamter. Lehr- und Beschäftigungszeiten. Nichtberücksichtigung solcher Zeiten, die vor Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegt wurden
Normenkette
Richtlinie 2000/78/EG Art. 2 Abs. 1, 2 Buchst. a, Art. 6 Abs. 2
Beteiligte
Beim Vorstand der Telekom Austria AG eingerichtetes Personalamt |
Tenor
Art. 2 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Buchst. a und Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die die Anrechnung von Lehr- und Beschäftigungszeiten, die ein Beamter vor Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegt hat, für die Gewährung eines Ruhegehaltsanspruchs und die Berechnung der Höhe seines Ruhegehalts ausschließt, nicht entgegenstehen, sofern diese Regelung bei einem Pensionssystem für Beamte die einheitliche Festsetzung einer Altersgrenze für die Mitgliedschaft und einer Altersgrenze für den Bezug von Altersrente im Rahmen dieses Systems gewährleisten soll.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 25. März 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 7. April 2015, in dem Verfahren
Franz Lesar
gegen
Beim Vorstand der Telekom Austria AG eingerichtetes Personalamt
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta und der Richter A. Arabadjiev (Berichterstatter), J.-C. Bonichot, C. G. Fernlund sowie E. Regan,
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. Januar 2016,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Lesar, vertreten durch Rechtsanwalt R. Tögl,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer und J. Schmoll als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch B.-R. Killmann und D. Martin als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 25. Februar 2016
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Buchst. a sowie von Art. 6 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. 2000, L 303, S. 16).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Franz Lesar und dem beim Vorstand der Telekom Austria AG eingerichteten Personalamt (im Folgenden: Personalamt) über dessen Weigerung, bei der Berechnung der Pensionsansprüche von Herrn Lesar die Lehr- und Beschäftigungszeiten zu berücksichtigen, die dieser vor Eintritt in den Dienst und vor Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegt hatte.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Nach Art. 1 der Richtlinie 2000/78 ist ihr „Zweck … die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten”.
Rz. 4
In Art. 2 der Richtlinie heißt es:
„(1) Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet ‚Gleichbehandlungsgrundsatz’, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe geben darf.
(2) Für die Zwecke des Absatzes 1
a) liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde;
…”
Rz. 5
Art. 6 der Richtlinie lautet:
„(1) Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.
Derartige Ungleichbehandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:
- die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlassung und Entlohnung, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Arbeitnehmern und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustell...