Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Zivil- oder Handelssachen. Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke. Verweigerung der Annahme eines Schriftstücks. Fehlen einer Übersetzung eines der übermittelten Dokumente. Fehlen des Formblatts nach Anhang II der genannten Verordnung. Folgen
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 Art. 8
Beteiligte
Alpha Panareti Public Ltd |
Tenor
Die Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten („Zustellung von Schriftstücken”) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates ist dahin auszulegen, dass
- die Empfangsstelle unter allen Umständen und ohne insoweit über einen Wertungsspielraum zu verfügen verpflichtet ist, den Empfänger eines Schriftstücks über sein Recht zu belehren, dessen Annahme zu verweigern, indem sie zu diesem Zweck systematisch das Formblatt in Anhang II der Verordnung Nr. 1393/2007 verwendet, und
- der Umstand, dass diese Stelle bei der Zustellung eines Schriftstücks an den Empfänger das Formblatt in Anhang II der Verordnung Nr. 1393/2007 nicht beigefügt hat, keinen Grund für eine Nichtigkeit des Verfahrens darstellt, sondern eine Unterlassung, die nach den Bestimmungen dieser Verordnung geheilt werden kann.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Anotato Dikastirio Kyprou (Oberster Gerichtshof der Republik Zypern) mit Entscheidung vom 13. September 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 27. September 2013, in dem Verfahren
Alpha Bank Cyprus Ltd
gegen
Dau Si Senh,
Alpha Panareti Public Ltd,
Susan Towson,
Stewart Cresswell,
Gillian Cresswell,
Julie Gaskell,
Peter Gaskell,
Richard Wernham,
Tracy Wernham,
Joanne Zorani,
Richard Simpson
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter S. Rodin und A. Borg Barthet, der Richterin M. Berger und des Richters F. Biltgen (Berichterstatter),
Generalanwalt: M. Wathelet,
Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. November 2014,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Alpha Bank Cyprus Ltd, vertreten durch R. Garcia und B. Sigler, Solicitors, B. Kennelly und P. Luckhurst, Barristers, sowie durch P. G. Polyviou, E. Florentiadou und G. Middleton, dikigoroi,
- von Herrn Si Senh, Frau Towson, Herrn und Frau Cresswell, Herrn und Frau Gaskell, Herrn und Frau Wernham, Frau Zorani, Herrn Simpson sowie von der Alpha Panareti Public Ltd, vertreten durch K. Koukounis, G. Koukounis und C. Zanti, dikigoroi,
- der zyprischen Regierung, vertreten durch D. Lysandrou und N. Ioannou als Bevollmächtigte,
- der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze, J. Kemper und D. Kuon als Bevollmächtigte,
- der griechischen Regierung, vertreten durch G. Skiani und I. Germani als Bevollmächtigte,
- der spanischen Regierung, vertreten durch J. García-Valdecasas Dorrego als Bevollmächtigte,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Condou-Durande und A.-M. Rouchaud-Joët als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 22. Januar 2015
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 8 der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten („Zustellung von Schriftstücken”) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates (ABl. L 324, S. 79).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen von sieben Rechtsstreitigkeiten zwischen der Alpha Bank Cyprus Ltd (im Folgenden: Alpha Bank), einem Bankinstitut mit Sitz in Zypern, auf der einen und Herrn Si Senh, Frau Towson, Herrn und Frau Cresswell, Herrn und Frau Gaskell, Herrn und Frau Wernham, Frau Zorani, Herrn Simpson – die ihren ständigen Wohnsitz im Vereinigten Königreich haben (Berufungsbeklagte der Ausgangsverfahren, im Folgenden: Berufungsbeklagte) – sowie der Alpha Panareti Public Ltd – einer zyprischen Gesellschaft, die für von den sieben Berufungsbeklagten aufgenommene Hypothekendarlehen gebürgt hat – jeweils auf der anderen Seite wegen der Zahlung der Restbeträge aus den genannten Darlehen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 2 und 6 bis 12 der Verordnung Nr. 1393/2007 heißt es:
„(2) Für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts muss die Übermittlung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen, die...