Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittel. Kartell. Gipsplatten. Verfälschung von Beweismitteln. Beweislast. Begründungsmangel. Verordnung Nr. 17. Art. 15 Abs. 2. Sanktion. Wiederholungsfall. Stadium der Berücksichtigung der Abschreckungswirkung der Geldbuße
Beteiligte
Tenor
1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
2. Die Lafarge SA trägt die Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs, eingelegt am 18. September 2008,
Lafarge SA mit Sitz in Paris (Frankreich), Prozessbevollmächtigte: A. Winckler, F. Brunet, E. Paroche, H. Kanellopoulos und C. Medina, avocats,
Klägerin,
andere Verfahrensbeteiligte:
Europäische Kommission, vertreten durch F. Castillo de la Torre und N. von Lingen als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte im ersten Rechtszug,
Rat der Europäischen Union,
Streithelfer im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. N. Cunha Rodrigues, der Richterin P. Lindh sowie der Richter U. Lõhmus, A. Ó Caoimh und A. Arabadjiev (Berichterstatter),
Generalanwalt: J. Mazák,
Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 22. Oktober 2009,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 11. Februar 2010
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrem Rechtsmittel begehrt die Lafarge SA (im Folgenden: Lafarge) die Aufhebung der Urteils des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 8. Juli 2008, Lafarge/Kommission (T-54/03, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht ihre Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung 2005/471/EG der Kommission vom 27. November 2002 bezüglich eines Verfahrens zur Durchführung von Artikel 81 des EG-Vertrags gegen BPB PLC, Gebrüder Knauf Westdeutsche Gipswerke KG, Société Lafarge SA, Gyproc Benelux NV (Sache COMP/E-1/37.152 – Gipsplatten) (ABl. L 166, S. 8, im Folgenden: streitige Entscheidung) abgewiesen hat.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 2
Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81] und [82] des Vertrags (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), sieht vor:
„Die Kommission kann gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen in Höhe von eintausend bis einer Million Rechnungseinheiten oder über diesen Betrag hinaus bis zu zehn vom Hundert des von dem einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes festsetzen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig:
a) gegen Artikel [81] Absatz (1) oder Artikel [82] des Vertrages verstoßen,
…
Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße ist neben der Schwere des Verstoßes auch die Dauer der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen.”
Rz. 3
In der Präambel der Mitteilung der Kommission „Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden” (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien von 1998) heißt es:
„Die in diesen Leitlinien dargelegten Grundsätze sollen dazu beitragen, die Transparenz und Objektivität der Entscheidungen der Kommission sowohl gegenüber den Unternehmen als auch gegenüber dem Gerichtshof zu erhöhen, sowie den Ermessensspielraum bekräftigen, der vom Gesetzgeber der Kommission bei der Festsetzung der Geldbußen innerhalb der Obergrenze von 10 % des Gesamtumsatzes der Unternehmen eingeräumt wurde. …
Das neue Verfahren für die Festsetzung des Betrags der Geldbuße beruht auf folgendem Schema, dem die Errechnung eines Grundbetrags zugrunde liegt, wobei Aufschläge zur Berücksichtigung erschwerender und Abzüge zur Berücksichtigung mildernder Umstände berechnet werden können.”
Rz. 4
Nr. 1 („Grundbetrag”) dieser Leitlinien bestimmt:
„Der Grundbetrag wird nach Maßgabe der Schwere und Dauer des Verstoßes als den einzigen Kriterien von Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 errechnet.
A. Schwere des Verstoßes
…
Es wird auch nötig sein, die tatsächliche wirtschaftliche Fähigkeit der Urheber der Verstöße, Wettbewerber und den Verbraucher wirtschaftlich in erheblichem Umfang zu schädigen, zu berücksichtigen und die Geldbuße auf einen Betrag festzusetzen, der eine hinreichend abschreckende Wirkung entfaltet.
Darüber hinaus könnte auch der Tatsache Rechnung getragen werden, dass Großunternehmen in den meisten Fällen über juristischen und wirtschaftlichen Sachverstand und Ressourcen verfügen, anhand deren sie besser erkennen können, in welchem Maß ihre Vorgehensweise einen Verstoß darstellt und welche Folgen aus wettbewerbsrechtlicher Sicht zu gewärtigen sind.
…”
Rz. 5
Nach Nr. 2 dieser Leitlinien kann der Grundbetrag bei erschwerenden Umständen wie etwa einem erneuten, gleichartigen Verstoß des/derselben Unternehmen(s) erhöht werden.
Sachverhalt
Rz. 6
Im angefochtenen Urteil hat das Gericht den Sachverhalt, der dem Rechtsstreit zugr...