Entscheidungsstichwort (Thema)
System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten. Sanktion wegen Emissionsüberschreitung. Begriff der Emissionsüberschreitung. Gleichsetzung mit einer Verletzung der Verpflichtung, innerhalb der von der Richtlinie vorgeschriebenen Fristen eine zur Abdeckung der Emissionen des Vorjahres ausreichende Zahl von Zertifikaten abzugeben. Fehlen eines Befreiungsgrundes, wenn über die nicht abgegebenen Zertifikate tatsächlich verfügt wurde, abgesehen vom Fall höherer Gewalt. Unmöglichkeit der Anpassung der Sanktion. Verhältnismäßigkeit
Normenkette
Richtlinie 2003/87/EG
Beteiligte
Billerud Karlsborg und Billerud Skärblacka |
Tenor
1. Art. 16 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates ist dahin auszulegen, dass es ihm zuwiderläuft, wenn ein Betreiber, der die Zertifikate für das Kohlendioxidäquivalent in Höhe seiner Emissionen des Vorjahres nicht bis zum 30. April des laufenden Jahres abgegeben hat, obwohl er zu diesem Zeitpunkt über eine ausreichende Anzahl von Zertifikaten verfügt, der in dieser Bestimmung vorgesehenen Sanktion wegen Emissionsüberschreitung entgeht.
2. Art. 16 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 2003/87 ist dahin auszulegen, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Höhe der pauschalen Sanktion vom nationalen Gericht nicht unter Berufung auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angepasst werden darf.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Högsta domstolen (Schweden) mit Entscheidung vom 24. April 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 30. April 2012, in dem Verfahren
Billerud Karlsborg AB
Billerud Skärblacka AB
gegen
Naturvårdsverket
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter J. L. da Cruz Vilaça, G. Arestis, J.-C. Bonichot (Berichterstatter) und A. Arabadjiev,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Billerud Karlsborg AB und der Billerud Skärblacka AB, vertreten durch E. Wernberg und O. Gentele, advokater,
- der Naturvårdsverket, vertreten durch R. Janson und U. Gunnesby, advokater,
- der hellenischen Regierung, vertreten durch V. Kyriazopoulos und M. Vergou als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Enegren, K. Mifsud-Bonnici und E. White als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. Mai 2013
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 16 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates (ABl. L 275, S. 32).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Billerud Karlsborg AB und der Billerud Skärblacka AB (im Folgenden gemeinsam: Billerud-Gesellschaften) und der Naturvårdsverket (Umweltschutzagentur) über die von Letzterer gegen diese Gesellschaften verhängte Sanktion wegen nicht rechtzeitiger Abgabe der Zertifikate für das Kohlendioxidäquivalent in Höhe ihrer tatsächlichen Emissionen im Jahr 2006.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 2003/87
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 5 bis 7 der Richtlinie 2003/87 lauten:
„(5) Die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten sind übereingekommen, ihre Verpflichtungen zur Verringerung der anthropogenen Treibhausgasemissionen im Rahmen des Kyoto-Protokolls … gemeinsam zu erfüllen. Diese Richtlinie soll dazu beitragen, dass die Verpflichtungen der Europäischen Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten durch einen effizienten europäischen Markt für Treibhausgasemissionszertifikate effektiver und unter möglichst geringer Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Entwicklung und der Beschäftigungslage erfüllt werden.
(6) Durch die Entscheidung 93/389/EWG des Rates vom 24. Juni 1993 über ein System zur Beobachtung der Emissionen von CO2 und anderen Treibhausgasen in der Gemeinschaft [ABl. L 167, S. 31] wurde ein System zur Beobachtung der Treibhausgasemissionen und zur Bewertung der Fortschritte bei der Erfüllung der Verpflichtungen im Hinblick auf diese Emissionen eingeführt. Dieses System wird es den Mitgliedstaaten erleichtern, die Gesamtmenge der zuteilbaren Zertifikate zu bestimmen.
(7) Gemeinschaftsvorschriften für die Zuteilung der Zertifikate durch die Mitgliedstaaten sind notwendig, um die Integrität des Binnenmarktes zu erhalten und Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.”
Rz. 4
In Art. 4 dieser Richtlinie heißt es:
„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass ab dem 1. Januar 2005 Anlagen die in Anhang I genannten Tätigkeiten, bei denen...