Entscheidungsstichwort (Thema)
Kfz-Zulassungssteuer, Genehmigung der Inbetriebnahme eines Fahrzeugs, EU-ausländische Fahrzeugleasinggesellschaft, Vorauszahlung einer Kfz-Steuer
Leitsatz (amtlich)
Art. 56 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer mitgliedstaatlichen Regelung und Verwaltungspraxis wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, wonach
‐ die Inbetriebnahme eines Fahrzeugs, das von einer in diesem Mitgliedstaat wohnhaften Person bei einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Leasinggesellschaft für eine vorübergehende Nutzung in ersterem Mitgliedstaat geleast wird, nach Zahlung einer dieser Nutzungsdauer entsprechenden anteiligen Zulassungssteuer eine Vorabgenehmigung dieser Zahlung durch die Steuerbehörden des ersteren Mitgliedstaats voraussetzt, ohne die das Fahrzeug grundsätzlich nicht in seinem Hoheitsgebiet in Betrieb genommen werden darf, und
‐ die Möglichkeit, ein solches Fahrzeug in ersterem Mitgliedstaat unverzüglich ‐ solange der Antrag des Steuerpflichtigen auf Zahlung einer der Nutzungsdauer des Fahrzeugs entsprechenden anteiligen Zulassungssteuer für dieses Fahrzeug noch bearbeitet wird ‐ in Betrieb zu nehmen, voraussetzt, dass die volle Zulassungssteuer im Voraus bezahlt wird, wobei der überzahlte Betrag samt Zinsen erstattet wird, wenn und sobald dem Steuerpflichtigen von den Steuerbehörden gestattet wird, die Zulassungssteuer anteilig zu entrichten.
Normenkette
AEUV Art. 56
Beteiligte
Wind 1014 GmbH, Kurt Daell |
Verfahrensgang
Ostre Landsret (Dänemark) (Beschluss vom 22.05.2015; Abl.EU 2015, Nr. C 245/12) |
Tatbestand
„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Art. 56 AEUV ‐ Freier Dienstleistungsverkehr ‐ Beschränkungen ‐ Kraftfahrzeug, das von einer in einem Mitgliedstaat wohnhaften Person bei einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Leasinggesellschaft geleast wird ‐ Zulassungssteuer, deren Höhe sich nach der Nutzungsdauer des Fahrzeugs richtet ‐ Erforderlichkeit einer Genehmigung der Steuerbehörden vor der Inbetriebnahme ‐ Rechtfertigung ‐ Verhinderung einer Umgehung sowie der betrügerischen oder missbräuchlichen Anwendung der Steuervorschriften ‐ Wahrung der Steuerhoheit des Staates ‐ Verhältnismäßigkeit“
In der Rechtssache C-249/15
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Østre Landsret (Berufungsgericht der Region Ost, Dänemark), mit Entscheidung vom 22. Mai 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Mai 2015, in dem Verfahren
Wind 1014 GmbH,
Kurt Daell
gegen
Skatteministeriet
erlässt
DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Vajda (Berichterstatter), der Richterin K. Jürimäe und des Richters C. Lycourgos,
Generalanwalt: M. Wathelet,
Kanzler: V. Giacobbo-Peyronnel, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juli 2016,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der Wind 1014 GmbH und von Herrn K. Daell, vertreten durch P. Lambert, advokat,
‐ des Skatteministerium, vertreten durch D. Auken, advokat,
‐ der dänischen Regierung, vertreten durch C. Thorning als Bevollmächtigten im Beistand von D. Auken, advokat,
‐ von Irland, vertreten durch L. Williams, E. Creedon, A. Joyce und D. McDonald als Bevollmächtigte im Beistand von M. Collins, SC, N. O’Driscoll, BL, und S. Kingston, BL,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Wasmeier und L. Grønfeldt als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 56 AEUV.
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen zweier Rechtsstreitigkeiten zwischen der Wind 1014 GmbH (im Folgenden: Wind) und Herrn Kurt Daell einerseits und dem Skatteministerium (Finanzministerium, Dänemark) andererseits. Im ersten Rechtsstreit geht es um die Weigerung der Steuerbehörden, die Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeugs, das Gegenstand eines zwischen Herrn Daell und Wind, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, geschlossenen Leasingvertrags ist, in Dänemark zu genehmigen, bevor über den Antrag von Wind und Herrn Daell entschieden ist, die Zulassungssteuer für dieses Fahrzeug entsprechend dem Zeitraum, in dem es in Dänemark genutzt werden soll, zu berechnen. Der zweite Rechtsstreit betrifft die Ablehnung dieses Antrags durch die Steuerbehörden.
Dänisches Recht
Rz. 3
Das Lov om registrering af køretøjer (Gesetz über die Zulassung von Fahrzeugen) in seiner für den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens maßgeblichen Fassung sieht in § 2 vor, dass Kraftfahrzeuge „unbeschadet der Abs. 3 und 5 und des § 7 Abs. 5 vor einer Inbetriebnahme im Geltungsbereich des [Færdselslov (Straßenverkehrsgesetz)] in das Fahrzeugregister eingetragen und mit Kennzeichen versehen werden müssen“.
Rz. 4
§ 1 Abs. 1 des Lov om registreringsafgift af motorkøretøjer (Gesetz über die Zulassungssteuer für Kraftfahrzeuge, im Folgenden: Zulassungssteuergesetz) in seiner für den Sachverhalt des Ausga...