Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Umwelt. Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen. Ausweisung der besonderen Schutzgebiete (BSG). Gewöhnlicher Schweinswal
Normenkette
Richtlinie 92/43/EWG Art. 4 Abs. 1; Richtlinie 92/43/EWG Anhänge II; Richtlinie 92/43/EWG III
Beteiligte
Kommission / Vereinigtes Königreich |
Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland |
Tenor
1. Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland hat dadurch, dass es nicht fristgemäß gemäß Art. 4 Abs. 1 und den Anhängen II und III der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen eine Liste mit genügend Gebieten, in denen der Gewöhnliche Schweinswal(Phocoena phocoena)vorkommt, vorgeschlagen und der Kommission übermittelt hat und insoweit nicht gemäß Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie im Verhältnis der in seinem Hoheitsgebiet vorhandenen Habitate dieser Art zur Errichtung des Netzes „Natura 2000” beigetragen hat, gegen seine Verpflichtungen aus den genannten Vorschriften verstoßen.
2. Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland trägt die Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 23. Dezember 2016,
Europäische Kommission, vertreten durch J. Norris-Usher und C. Hermes als Bevollmächtigte,
Klägerin,
gegen
Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch G. Brown als Bevollmächtigte im Beistand von R. Palmer und M. Armitage, Barrister,
Beklagter,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Fünften Kammer E. Regan in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Sechsten Kammer sowie der Richter C. G. Fernlund und S. Rodin (Berichterstatter),
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Die Europäische Kommission hat Klage auf Feststellung erhoben, dass das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland dadurch, dass es für den Gewöhnlichen Schweinswal (Phocoena phocoena) keine Schutzgebiete ausgewiesen und somit nicht im Verhältnis der in seinem Hoheitsgebiet vorhandenen Habitate dieser Art zur Errichtung des Netzes „Natura 2000” beigetragen hat, gegen seine Verpflichtungen aus Art. 3 Abs. 2 und Art. 4 Abs. 1 sowie den Anhängen II und III der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. 1992, L 206, S. 7, im Folgenden: Habitatrichtlinie) verstoßen hat.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 2
Nach ihrem Art. 2 Abs. 1 hat die Habitatrichtlinie zum Ziel, durch die Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen im europäischen Gebiet der Mitgliedstaaten, für das der Vertrag Geltung hat, zur Sicherung der Artenvielfalt beizutragen.
Rz. 3
Art. 1 der Habitatrichtlinie, in der die wichtigsten Begriffe definiert werden, die in der Richtlinie verwendet werden, bestimmt:
„Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet:
…
g) ‚Arten von gemeinschaftlichem Interesse’: Arten, die in dem in Artikel 2 bezeichneten Gebiet
i) bedroht sind, außer denjenigen, deren natürliche Verbreitung sich nur auf Randzonen des vorgenannten Gebietes erstreckt und die weder bedroht noch im Gebiet der westlichen Paläarktis potentiell bedroht sind, oder
ii) potentiell bedroht sind, d. h., deren baldiger Übergang in die Kategorie der bedrohten Arten als wahrscheinlich betrachtet wird, falls die ursächlichen Faktoren der Bedrohung fortdauern, oder
iii) selten sind, d. h., deren Populationen klein und, wenn nicht unmittelbar, so doch mittelbar bedroht oder potentiell bedroht sind. Diese Arten kommen entweder in begrenzten geographischen Regionen oder in einem größeren Gebiet vereinzelt vor, oder
iv) endemisch sind und infolge der besonderen Merkmale ihres Habitats und/oder der potentiellen Auswirkungen ihrer Nutzung auf ihren Erhaltungszustand besondere Beachtung erfordern.
Diese Arten sind in Anhang II und/oder Anhang IV oder Anhang V aufgeführt bzw. können dort aufgeführt werden.
…
j) ‚Gebiet’: ein geographisch definierter Bereich mit klar abgegrenzter Fläche.
k) ‚Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung’: Gebiet, das in der oder den biogeographischen Region(en), zu welchen es gehört, in signifikantem Maße dazu beiträgt, einen natürlichen Lebensraumtyp des Anhangs I oder eine Art des Anhangs II in einem günstigen Erhaltungszustand zu bewahren oder einen solchen wiederherzustellen und auch in signifikantem Maße zur Kohärenz des in Artikel 3 genannten Netzes ‚Natura 2000’ und/oder in signifikantem Maße zur biologischen Vielfalt in der biogeographischen Region beitragen kann.
Bei Tierarten, die große Lebensräume beanspruchen, entsprechen die Gebiete von gemeinschaftlichem Interess...