Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen. Luftbeförderungsvertrag. Gerichtsstandsklausel, die der Fluggast in seiner Eigenschaft als Verbraucher vertraglich vereinbart hat. Forderung des Fluggasts gegen die Fluggesellschaft. Abtretung dieser Forderung an eine Inkassogesellschaft. Möglichkeit für die Fluggesellschaft, sich gegenüber der Gesellschaft, an die der Fluggast seine Forderung abgetreten hat, auf die Gerichtsstandsklausel zu berufen
Normenkette
Verordnung (EU) Nr. 1215/2012; Richtlinie 93/13/EWG
Beteiligte
Tenor
Art. 25 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass eine Fluggesellschaft eine Gerichtsstandsklausel, die in einem zwischen ihr und einem Fluggast geschlossenen Beförderungsvertrag enthalten ist, einer Inkassogesellschaft, an die der Fluggast seine Forderung abgetreten hat, nicht entgegenhalten kann, um die Zuständigkeit eines Gerichts für die Entscheidung einer gegen sie auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 erhobenen Klage auf eine Ausgleichsleistung in Abrede zu stellen, es sei denn, dass nach den Rechtsvorschriften des Staates, dessen Gerichte in dieser Klausel bestimmt sind, die Inkassogesellschaft in alle Rechte und Pflichten der ursprünglichen Vertragspartei eingetreten ist, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist. Gegebenenfalls ist eine solche Klausel, die in einem Vertrag zwischen einem Verbraucher, nämlich dem Fluggast, und einem Gewerbetreibenden, nämlich der betreffenden Fluggesellschaft, enthalten ist, ohne im Einzelnen ausgehandelt worden zu sein, und die dem Gericht, in dessen Bezirk sich der Sitz der Fluggesellschaft befindet, eine ausschließliche Zuständigkeit zuweist, als missbräuchlich im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen anzusehen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Sąd Okregowy w Warszawie XXIII Wydział Gospodarczy Odwoławczy (Bezirksgericht Warschau, 23. Abteilung für Berufungen in Wirtschaftssachen, Polen) mit Entscheidung vom 13. Juni 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 9. Juli 2019, in dem Verfahren
Ryanair DAC
gegen
DelayFix, vormals Passenger Rights sp. z o.o.,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, des Richters L. Bay Larsen, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) sowie der Richter M. Safjan und N. Jääskinen,
Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Ryanair DAC, vertreten durch A. Kasnowska, adwokat, und durch M. Jóźwiak, radca prawny,
- von DelayFix, vormals Passenger Rights sp. z o.o, vertreten durch M. Misiaszek, K. Żbikowska und I. Wieczorek, adwokaci,
- der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
- [berichtigt durch Beschluss vom 13. Januar 2021] der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Heller, A. Szmytkowska und N. Ruiz García als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 25 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1) sowie die Auslegung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L 95, S. 29).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Passenger Rights sp. z o.o., jetzt DelayFix, mit Sitz in Warschau (Polen), einer auf den Forderungseinzug spezialisierten Gesellschaft, an die ein Fluggast seine Rechte abgetreten hat, auf der einen und der Fluggesellschaft Ryanair DAC mit Sitz in Dublin (Irland) auf der anderen Seite. Der Gegenstand dieses Rechtsstreits ist die Zahlung einer Ausgleichsleistung in Höhe von 250 Euro auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufh...