Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Zweite Richtlinie 77/91/EWG. Art. 29 und 42. Aktiengesellschaften. Erhöhung des Kapitals. Bezugsrecht für Aktien und in Aktien umtauschbare Wandelschuldverschreibungen. Ausschluss. Schutz der Aktionäre. Gleichbehandlung

 

Beteiligte

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

Königreich Spanien

 

Tenor

1. Das Königreich Spanien hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 29 der Zweiten Richtlinie 77/91/EWG des Rates vom 13. Dezember 1976 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikel [48] Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, verstoßen,

  • dass es im Fall einer Kapitalerhöhung durch Bareinlagen nicht nur den Aktionären, sondern auch den Inhabern von Wandelschuldverschreibungen ein Bezugsrecht für Aktien einräumt,
  • dass es nicht nur den Aktionären, sondern auch den Inhabern von bei früheren Emissionen ausgegebenen Wandelschuldverschreibungen ein Bezugsrecht für Wandelschuldverschreibungen einräumt und
  • dass es nicht vorsieht, dass die Aktionärsversammlung den Ausschluss des Bezugsrechts für Wandelschuldverschreibungen beschließen kann.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Das Königreich Spanien trägt drei Viertel der Kosten. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften trägt ein Viertel der Kosten.

4. Die Republik Polen, die Republik Finnland und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland tragen ihre eigenen Kosten.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 4. August 2006,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch G. Braun und R. Vidal Puig als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Königreich Spanien, vertreten durch F. Díez Moreno als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagter,

unterstützt durch:

Republik Polen, vertreten durch E. Ośniecka-Tamecka als Bevollmächtigte,

Republik Finnland, vertreten durch J. Heliskoski als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch V. Jackson als Bevollmächtigte im Beistand von J. Stratford, Barrister,

Streithelfer,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter A. Tizzano (Berichterstatter), A. Borg Barthet, E. Levits und J.-J. Kasel,

Generalanwältin: V. Trstenjak,

Kanzler: R. Grass,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 4. September 2008

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften beim Gerichtshof, festzustellen, dass das Königreich Spanien dadurch,

  • dass es gestattet, dass die Aktionärsversammlung die Ausgabe junger Aktien unter Ausschluss des Bezugsrechts zu einem unter ihrem angemessenen Wert liegenden Preis billigt,
  • dass es im Fall einer Kapitalerhöhung durch Bareinlagen nicht nur den Aktionären, sondern auch den Inhabern von Wandelschuldverschreibungen das Bezugsrecht für Aktien einräumt,
  • dass es nicht nur den Aktionären, sondern auch den Inhabern von bei früheren Emissionen ausgegebenen Wandelschuldverschreibungen ein Bezugsrecht für Wandelschuldverschreibungen einräumt und
  • dass es nicht vorsieht, dass die Aktionärsversammlung den Ausschluss des Bezugsrechts für Wandelschuldverschreibungen beschließen kann,

gegen seine Verpflichtungen aus Art. 29 und 42 der Zweiten Richtlinie 77/91/EWG des Rates vom 13. Dezember 1976 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikel [48] Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten (ABl. 1977, L 26, S. 1, im Folgenden: Zweite Richtlinie), verstoßen hat.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

Rz. 2

Der zweite und der fünfte Erwägungsgrund der Zweiten Richtlinie, deren Rechtsgrundlage Art. 54 Abs. 3 Buchst. g EWG-Vertrag (später Art. 54 Abs. 3 Buchst. g EG-Vertrag, nunmehr Art. 44 Abs. 2 Buchst. g EG) ist, lauten:

„Die Koordinierung der einzelstaatlichen Vorschriften über die Gründung der Aktiengesellschaft sowie die Aufrechterhaltung, die Erhöhung und die Herabsetzung ihres Kapitals ist vor allem bedeutsam, um beim Schutz der Aktionäre einerseits und der Gläubiger der [Aktiengesellschaften] andererseits ein Mindestmaß an Gleichwertigkeit sicherzustellen.

Im Hinblick auf die in Artikel [44] Absatz [2] Buchstabe g) [EG] verfolgten Ziele ist es erforderlich, dass die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bei Kapitalerhöhungen und Kapitalherabsetzungen die Beachtung der Grundsätze über die Gleichbehandlung der Aktionäre,...

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