Entscheidungsstichwort (Thema)
Verordnung (EG) Nr. 44/2001. Gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. Zuständigkeit für Klagen aus ‚unerlaubter Handlung oder einer Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist’. Bestimmung des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht. Website des Anbieters eines Referenzierungsdienstes, die unter dem länderspezifischen Top-Level-Domain-Namen eines Mitgliedstaats betrieben wird. Verwendung eines Schlüsselworts durch einen Werbenden, das mit einer in einem anderen Mitgliedstaat eingetragenen Marke identisch ist
Beteiligte
Products 4U Sondermaschinenbau GmbH |
Tenor
Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass in einem Rechtsstreit über die Verletzung einer in einem Mitgliedstaat eingetragenen Marke, die dadurch begangen worden sein soll, dass ein Werbender auf der Website einer Suchmaschine, die unter der Top-Level-Domain eines anderen Mitgliedstaats betrieben wird, ein mit dieser Marke identisches Schlüsselwort verwendet hat, die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem die Marke eingetragen ist, oder die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem der Werbende niedergelassen ist, angerufen werden können.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Obersten Gerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 5. Oktober 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 10. November 2010, in dem Verfahren
Wintersteiger AG
gegen
Products 4U Sondermaschinenbau GmbH
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano sowie der Richter M. Safjan (Berichterstatter), A. Borg Barthet, E. Levits und J.-J. Kasel,
Generalanwalt: P. Cruz Villalón,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Wintersteiger AG, vertreten durch Rechtsanwalt E. Boesch,
- der Products 4U Sondermaschinenbau GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt J. Steinschnack,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,
- der spanischen Regierung, vertreten durch F. Díez Moreno als Bevollmächtigten,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Gentili, avvocato dello Stato,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Hathaway als Bevollmächtigten im Beistand von A. Henshaw, Barrister,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch A.-M. Rouchaud-Joët und W. Bogensberger als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. Februar 2012
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Wintersteiger AG (im Folgenden: Wintersteiger) mit Sitz in Österreich und der Products 4U Sondermaschinenbau GmbH (im Folgenden: Products 4U) mit Sitz in Deutschland über den Antrag von Wintersteiger, Products 4U die Benutzung der österreichischen Marke „Wintersteiger” als Schlüsselwort auf der Website des Anbieters eines entgeltlichen Referenzierungsdienstes zu untersagen.
Rechtlicher Rahmen
Verordnung Nr. 44/2001
Rz. 3
Nach dem zweiten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 44/2001 zielt diese im Interesse eines reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts darauf ab, „Bestimmungen zu erlassen, um die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen zu vereinheitlichen und die Formalitäten im Hinblick auf eine rasche und unkomplizierte Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus den durch diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaaten zu vereinfachen”.
Rz. 4
Der elfte Erwägungsgrund dieser Verordnung lautet:
„Die Zuständigkeitsvorschriften müssen in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten, und diese Zuständigkeit muss stets gegeben sein, außer in einigen genau festgelegten Fällen, in denen aufgrund des Streitgegenstands oder der Vertragsfreiheit der Parteien ein anderes Anknüpfungskriterium gerechtfertigt ist. Der Sitz juristischer Personen muss in der Verordnung selbst definiert sein, um die Transparenz der gemeinsamen Vorschriften zu stärken und Kompetenzkonflikte zu vermeiden.”
Rz. 5
Im zwölften Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 44/2001 heißt es:
„Der Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten muss durch alternative Gerichtsstände ergänzt werden, die entweder aufgrund der engen Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit oder im Interesse einer geordneten Rechtspflege zuzulassen sind...