Entscheidungsstichwort (Thema)
Verlustabzug einer gebietsfremden Gesellschaft, Verlustabzug, Grenzüberschreitende Fusion
Normenkette
AEUV Art. 49, 54
Beteiligte
Verfahrensgang
Högsta förvaltningsdomstol (Schweden) (Beschluss vom 05.10.2017; ABl. EU 2018 Nr. C 5/23) |
Tenor
1. Bei der Beurteilung der Frage, ob die Verluste einer gebietsfremden Gesellschaft im Sinne von Rn. 55 des Urteils vom 13. Dezember 2005, Marks & Spencer (C-446/03, EU:C:2005:763), endgültig sind, ist der Umstand, dass der Sitzmitgliedstaat der Tochtergesellschaft bei einer Fusion keine Übertragung der Verluste einer Gesellschaft auf einen anderen Steuerpflichtigen zulässt, während der Sitzmitgliedstaat der Muttergesellschaft bei der Fusion inländischer Gesellschaften eine solche Übertragung vorsieht, nicht entscheidend ist, sofern nicht die Muttergesellschaft nachweist, dass es ihr unmöglich ist, diese Verluste, insbesondere durch eine Übertragung, so geltend zu machen, dass sie bei einem Dritten für künftige Zeiträume steuerlich berücksichtigt werden können.
2. Für den Fall, dass der in der ersten Frage genannte Umstand relevant sein sollte, kommt es nicht darauf an, dass es im Sitzstaat der Tochtergesellschaft kein anderes Rechtssubjekt gibt, das die Verluste im Rahmen einer Fusion hätte geltend machen können, wenn dort ein Abzug zulässig gewesen wäre.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Högsta förvaltningsdomstol (Oberster Verwaltungsgerichtshof, Schweden) mit Entscheidung vom 5. Oktober 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 24. Oktober 2017, in dem Verfahren
Skatteverket
gegen
Memira Holding AB
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot (Berichterstatter), der Richterin C. Toader sowie der Richter A. Rosas, L. Bay Larsen und M. Safjan,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 24. Oktober 2018,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- des Skatteverk, vertreten durch J. Anderberg als Bevollmächtigten,
- der Memira Holding AB, vertreten durch L. Staberg als Bevollmächtigten,
- der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk, A. Alriksson, C. Meyer-Seitz, H. Shev, H. Eklinder, L. Zettergren und J. Lundberg als Bevollmächtigte,
- der deutschen Regierung, zunächst vertreten durch T. Henze und R. Kanitz als Bevollmächtigte, dann durch R. Kanitz als Bevollmächtigten,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von G. De Socio, avvocato dello Stato,
- der finnischen Regierung, vertreten durch S. Hartikainen als Bevollmächtigten,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Brandon und G. Brown als Bevollmächtigte im Beistand von D. Yates, Barrister,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch K. Simonsson, N. Gossement, E. Ljung Rasmussen und G. Tolstoy als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 10. Januar 2019
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 49 AEUV in Verbindung mit Art. 54 AEUV.
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Skatteverk (schwedische Finanzbehörde) und der Memira Holding AB (im Folgenden: Memira) wegen der Möglichkeit Letzterer, die Verluste einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Tochtergesellschaft, wenn diese infolge einer Fusion in der Muttergesellschaft aufgeht, von der Körperschaftsteuer abzuziehen.
Rechtlicher Rahmen
Schwedisches Recht
Rz. 3
Die steuerliche Regelung von Fusionen ist in Kapitel 37 des Inkomstskattelag (1999:1229) (Gesetz Nr. 1229 aus dem Jahr 1999 über die Körperschaft- und Einkommensteuer, im Folgenden: Inkomstskattelag) enthalten.
Rz. 4
Die §§ 16 bis 29 in diesem Kapitel enthalten spezielle auf sogenannte „qualifizierte” Fusionen anwendbare Steuerregelungen.
Rz. 5
Für eine solche Fusion muss gemäß Kapitel 37 §§ 11 und 12 zum einen die einbringende Gesellschaft unmittelbar vor der Fusion mit den Einkünften mindestens eines Teils ihrer unternehmerischen Tätigkeit in Schweden steuerpflichtig sein. Zum anderen muss die übernehmende Gesellschaft unmittelbar nach der Fusion mit den Einkünften aus einer unternehmerischen Tätigkeit, für die die einbringende Gesellschaft besteuert wurde, in Schweden steuerpflichtig sein. Außerdem dürfen die fraglichen Einkünfte in Schweden nicht aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens von der Steuer befreit sein.
Rz. 6
Nach Kapitel 37 §§ 17 und 18 des Inkomstskattelag darf die einbringende Gesellschaft für die unternehmerische Tätigkeit im Sinne von dessen § 11 keine auf die Fusion zurückzuführenden Einkünfte geltend machen oder Verlustabzüge vornehmen und tritt für die steuerliche Behandlung dieser Tätigkeit die übernehmende Gesellschaft in die Situation der einbringenden Gesellschaft ein. Das bedeutet u. a., dass die übernehmende Gesell...