Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Elektronische Kommunikationsnetze und -dienste. Unparteilichkeit und Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörden. Institutionelle Reform. Fusion der nationalen Regulierungsbehörde mit anderen Regulierungsbehörden. Entlassung des Präsidenten und eines Ratsmitglieds der fusionierten nationalen Regulierungsbehörde vor Ablauf ihrer Mandate. Im nationalen Recht nicht vorgesehener Entlassungsgrund
Normenkette
Richtlinie 2002/21/EG Art. 3
Beteiligte
Ormaetxea Garai und Lorenzo Almendros |
Bernardo Lorenzo Almendros |
Administración del Estado |
Tenor
1. Die Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (Rahmenrichtlinie) in der durch die Richtlinie 2009/140/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung, durch die eine nationale Regulierungsbehörde im Sinne der Richtlinie 2002/21 in der durch die Richtlinie 2009/140 geänderten Fassung mit anderen nationalen Regulierungsbehörden wie denen für den Wettbewerb, den Postsektor und den Energiesektor zusammengelegt wird, um eine multisektorale Regulierungsstelle zu errichten, die insbesondere mit den Aufgaben betraut ist, die den nationalen Regulierungsbehörden im Sinne dieser Richtlinie in der geänderten Fassung zugewiesen sind, grundsätzlich nicht entgegensteht, sofern diese Stelle bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben die in der Richtlinie vorgesehenen Voraussetzungen in Bezug auf Fachwissen, Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Transparenz erfüllt und gegen die Entscheidungen, die sie erlässt, wirksame Rechtsbehelfe bei einer von den Beteiligten unabhängigen Stelle gegeben sind, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.
2. Art. 3 Abs. 3a der Richtlinie 2002/21 in der durch die Richtlinie 2009/140 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er es verbietet, dass allein aufgrund einer institutionellen Reform, durch die eine für die Vorabregulierung des Marktes oder für die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Unternehmen zuständige nationale Regulierungsbehörde mit anderen nationalen Regulierungsbehörden zusammengelegt wird, um eine multisektorale Regulierungsstelle zu errichten, die insbesondere mit Aufgaben betraut ist, die den nationalen Regulierungsbehörden im Sinne dieser Richtlinie in der geänderten Fassung zugewiesen sind, der Präsident und ein Ratsmitglied, die Mitglieder des die fusionierte nationale Regulierungsbehörde leitenden Kollegiums sind, vor Ablauf ihrer Mandate entlassen werden, wenn keine Regeln vorgesehen sind, die gewährleisten, dass eine solche Entlassung ihre Unabhängigkeit und ihre Unparteilichkeit nicht beeinträchtigt.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien) mit Entscheidung vom 3. Juli 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 31. Juli 2015, in dem Verfahren
Xabier Ormaetxea Garai,
Bernardo Lorenzo Almendros
gegen
Administración del Estado
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, der Richterin A. Prechal, des Richters A. Rosas, der Richterin C. Toader und des Richters E. Jarašiūnas (Berichterstatter),
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der spanischen Regierung, vertreten durch A. Rubio González als Bevollmächtigten,
- der belgischen Regierung, vertreten durch J. Van Holm und M. Jacobs als Bevollmächtigte,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch J. Langer, M. Bulterman und M. de Ree als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Rius, G. Braun und L. Nicolae als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 30. Juni 2016
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (Rahmenrichtlinie) (ABl. 2002, L 108, S. 33) in der durch die Richtlinie 2009/140/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 (ABl. 2009, L 337, S. 37, berichtigt im ABl. 2013, L 241, S. 8) geänderten Fassung (im Folgenden: Rahmenrichtlinie).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Xabier Ormaetxea Garai und Herrn Bernardo Lorenzo Almendros auf der einen und der Administración del Estado (Staatliche Verwaltung, Spanien) auf der anderen Seite wegen Königlicher Dekrete, mit denen ihre Mandate als Ratsmitglied bzw. Präsident der Comisión del Mercado de las Telecomunicaciones (Kommission für den Telekommunikationsmarkt, Spanien, im Folgenden: CMT), einer nationalen Regulierungsbehörde (im Folgenden: NRB) im Sinne de...