Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Öffentliche Wiedergabe. Begriff der Wiedergabe und Begriff der Öffentlichkeit. Verbreitung von Fernsehprogrammen. Verfahren der sogenannten Direkteinspeisung
Normenkette
Richtlinie 2001/29/EG Art. 3 Abs. 1
Beteiligte
Belgische Vereniging van Auteurs, Componisten en Uitgevers (SABAM) |
Tenor
Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ist dahin auszulegen, dass ein Sendeunternehmen, wenn es seine programmtragenden Signale ausschließlich an Signalvertreiber überträgt, ohne dass diese Signale während und anlässlich dieser Übertragung öffentlich zugänglich sind, und diese Verteiler die Signale anschließend ihren Abonnenten übermitteln, damit diese die Programme anschauen können, keine öffentliche Wiedergabe im Sinne dieser Vorschrift vornimmt, es sei denn, das Tätigwerden der Verteiler stellt ein bloßes technisches Mittel dar, was durch das vorlegende Gericht zu prüfen ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Hof van beroep te Brussel (Berufungsgericht Brüssel, Belgien) mit Entscheidung vom 17. Juni 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 7. Juli 2014, in dem Verfahren
SBS Belgium NV
gegen
Belgische Vereniging van Auteurs, Componisten en Uitgevers (SABAM)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)
unter Mitwirkung des Richters J. Malenovský (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Kammerpräsidenten, des Richters M. Safjan und der Richterin K. Jürimäe,
Generalanwalt: N. Wahl,
Kanzlerin: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 10. Juni 2015,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der SBS Belgium NV, vertreten durch P. Maeyaert und A. De Bleeckere, advocaten,
- der Belgische Vereniging van Auteurs, Componisten en Uitgevers (SABAM), vertreten durch E. Marissens, avocat,
- der französischen Regierung, vertreten durch D. Segoin und F.-X. Bréchot als Bevollmächtigte,
- der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Samnadda und F. Wilman als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L 167, S. 10).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der SBS Belgium NV (im Folgenden: SBS) und der Belgische Vereniging van Auteurs, Componisten en Uitgevers (Belgische Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Verleger, im Folgenden: SABAM) über die Pflicht zur Zahlung einer angemessenen Vergütung für die Ausstrahlung von Fernsehprogrammen mittels der Technik der Direkteinspeisung.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 23 und 27 der Richtlinie 2001/29 lauten:
„(23) Mit dieser Richtlinie sollte das für die öffentliche Wiedergabe geltende Urheberrecht weiter harmonisiert werden. Dieses Recht sollte im weiten Sinne verstanden werden, nämlich dahin gehend, dass es jegliche Wiedergabe an die Öffentlichkeit umfasst, die an dem Ort, an dem die Wiedergabe ihren Ursprung nimmt, nicht anwesend ist. Dieses Recht sollte jegliche entsprechende drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Übertragung oder Weiterverbreitung eines Werks, einschließlich der Rundfunkübertragung, umfassen. Dieses Recht sollte für keine weiteren Handlungen gelten.
…
(27) Die bloße Bereitstellung der Einrichtungen, die eine Wiedergabe ermöglichen oder bewirken, stellt selbst keine Wiedergabe im Sinne dieser Richtlinie dar.”
Rz. 4
Art. 3 dieser Richtlinie („Recht der öffentlichen Wiedergabe von Werken und Recht der öffentlichen Zugänglichmachung sonstiger Schutzgegenstände”) bestimmt:
„(1) Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.
…
(3) Die in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten Rechte erschöpfen sich nicht mit den in diesem Artikel genannten Handlungen der öffentlichen Wiedergabe oder der Zugänglichmachung für die Öffentlichkeit.”
Ausgangsverfahren und Vorlagefrage
Rz. 5
SABAM ist eine Verwertungsgesellschaft für Urheberrechte und vertritt Urheber bei der Erteilung der Zustimmung zur Nutzung ihrer urheberrechtlich geschützten Werke durch einen Dritten und bei der Erhebung des für die...