Entscheidungsstichwort (Thema)
Staatliche Beihilfe. Verordnung (EG) Nr. 659/1999. Art. 14 Abs. 3. Rückforderung der Beihilfe. Grundsatz der Effektivität. Mit einem Formfehler behaftete Rückforderungsbescheide. Aufhebung
Beteiligte
Kimberly Clark SAS, ehemals Kimberly Clark SNC |
Tenor
Art. 14 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [88] des EG-Vertrags ist dahin auszulegen, dass diese Bestimmung in Fällen, in denen die Beträge, die der betreffenden Beihilfe entsprechen, bereits zurückgezahlt wurden, der Aufhebung der Bescheide über die Rückforderung der rechtswidrigen staatlichen Beihilfe wegen eines Formfehlers durch den nationalen Richter nicht entgegensteht, wenn die Möglichkeit der Behebung des Formfehlers durch das nationale Recht sichergestellt ist. Die Bestimmung steht jedoch einer erneuten, selbst vorläufigen Auszahlung dieser Beträge an den Beihilfeempfänger entgegen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht von der Cour administrative d'appel de Nantes (Frankreich) mit Entscheidung vom 29. Dezember 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 10. Juni 2009, in dem Verfahren
Scott SA,
Kimberly Clark SAS, ehemals Kimberly Clark SNC,
gegen
Stadt Orléans
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts sowie der Richter E. Juhász, G. Arestis, J. Malenovský und T. von Danwitz (Berichterstatter),
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Scott SA und der Kimberly Clark SAS, ehemals Kimberly Clark SNC, vertreten durch R. Sermier, avocat,
- der Stadt Orléans, vertreten durch A. Lyon-Caen, avocat,
- der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und B. Beaupère-Manokha als Bevollmächtigte,
- der polnischen Regierung, vertreten durch M. Dowgielewicz als Bevollmächtigten,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch B. Stromsky und L. Flynn als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 14 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [88] des EG-Vertrags (ABl. L 83, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Scott SA (im Folgenden: Scott) und der Kimberly Clark SAS, ehemals Kimberly Clark SNC (im Folgenden: Kimberly Clark), einerseits und der Stadt Orléans andererseits über die Rechtmäßigkeit der Bescheide, mit denen die Stadt Orléans eine für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärte Beihilfe zurückgefordert hat.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Der 13. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 659/1999 lautet:
„Bei rechtswidrigen Beihilfen, die mit dem Gemeinsamen Markt nicht vereinbar sind, muss wirksamer Wettbewerb wiederhergestellt werden. Dazu ist es notwendig, die betreffende Beihilfe einschließlich Zinsen unverzüglich zurückzufordern. Die Rückforderung hat nach den Verfahrensvorschriften des nationalen Rechts zu erfolgen. Die Anwendung dieser Verfahren sollte jedoch die Wiederherstellung eines wirksamen Wettbewerbs durch Verhinderung der sofortigen und tatsächlichen Vollstreckung der Kommissionsentscheidung nicht erschweren. Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, sollten die Mitgliedstaaten alle erforderlichen Maßnahmen zur Gewährleistung der Wirksamkeit der Kommissionsentscheidung treffen.”
Rz. 4
In Art. 14 („Rückforderung von Beihilfen”) der Verordnung heißt es:
„(1) In Negativentscheidungen hinsichtlich rechtswidriger Beihilfen entscheidet die Kommission, dass der betreffende Mitgliedstaat alle notwendigen Maßnahmen ergreift, um die Beihilfe vom Empfänger zurückzufordern … Die Kommission verlangt nicht die Rückforderung der Beihilfe, wenn dies gegen einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts verstoßen würde.
…
(3) Unbeschadet einer Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften nach Artikel [242 EG] erfolgt die Rückforderung unverzüglich und nach den Verfahren des betreffenden Mitgliedstaats, sofern hierdurch die sofortige und tatsächliche Vollstreckung der Kommissionsentscheidung ermöglicht wird. Zu diesem Zweck unternehmen die betreffenden Mitgliedstaaten im Fall eines Verfahrens vor nationalen Gerichten unbeschadet des Gemeinschaftsrechts alle in ihren jeweiligen Rechtsordnungen verfügbaren erforderlichen Schritte einschließlich vorläufiger Maßnahmen.”
Nationales Recht
Rz. 5
Art. 4 des Gesetzes Nr. 2000-321 vom 12. April 2000 über die Rechte der Bürger im Verkehr mit den Behörden (JORF vom 13. April 2000, S. 5646) sieht vor:
„Im Verkehr mit einer der in Art. 1 genannten Verwaltungsbehörden hat jede Person einen Anspruch darauf, den Vornamen, den Familiennamen, die Funktion un...