Entscheidungsstichwort (Thema)

Assoziierungsabkommen EWG-Türkei. Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls. Stillhalteklausel. Geltung. Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, der nach dem Inkrafttreten des Zusatzprotokolls neue Beschränkungen für die Aufnahme türkischer Staatsangehöriger in seinem Hoheitsgebiet, die dort von der Niederlassungsfreiheit Gebrauch machen wollen, eingeführt hat

 

Beteiligte

Tum und Dari

The Queen

Veli Tum

Mehmet Dari

Secretary of State for the Home Department

 

Tenor

Art. 41 Abs. 1 des am 23. November 1970 in Brüssel unterzeichneten und mit der Verordnung (EWG) Nr. 2760/72 des Rates vom 19. Dezember 1972 im Namen der Gemeinschaft geschlossenen, gebilligten und bestätigten Zusatzprotokolls ist dahin auszulegen, dass er es verbietet, von dem Zeitpunkt an, zu dem das Zusatzprotokoll in dem betreffenden Mitgliedstaat in Kraft getreten ist, neue Beschränkungen der Ausübung der Niederlassungsfreiheit einschließlich solcher einzuführen, die die materiell- und/oder verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die erstmalige Aufnahme türkischer Staatsangehöriger im Hoheitsgebiet dieses Staates betreffen, die sich dort zur Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit niederlassen wollen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom House of Lords (Vereinigtes Königreich) mit Entscheidung vom 2. Dezember 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 19. Januar 2005, in dem Verfahren

The Queen, auf Antrag von

Veli Tum,

Mehmet Dari

gegen

Secretary of State for the Home Department

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans, der Richter R. Schintgen (Berichterstatter) und J. Klučka, der Richterin R. Silva de Lapuerta und des Richters L. Bay Larsen,

Generalanwalt: L. A. Geelhoed,

Kanzler: K. Sztranc-Slawiczek, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 18. Mai 2006,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Herren Tum und Dari, vertreten durch N. Rogers und J. Rothwell, Barristers, sowie durch L. Baratt und M. Kuddus, Solicitors,
  • der Regierung des Vereinigten Königreichs, zunächst vertreten durch M. Bethell, sodann durch E. O'Neill als Bevollmächtigte im Beistand von P. Saini, Barrister,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch C. M. Wissels als Bevollmächtigte,
  • der slowakischen Regierung, vertreten durch R. Procházka als Bevollmächtigten,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch C. O'Reilly und M. Wilderspin als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 12. September 2006

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 41 Abs. 1 des am 23. November 1970 in Brüssel unterzeichneten und mit der Verordnung (EWG) Nr. 2760/72 des Rates vom 19. Dezember 1972 im Namen der Gemeinschaft geschlossenen, gebilligten und bestätigten Zusatzprotokolls (ABl. L 293, S. 1, im Folgenden: Zusatzprotokoll).

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen zweier Rechtsstreitigkeiten zwischen Herrn Tum und Herrn Dari einerseits und dem Secretary of State for the Home Department (Innenminister, im Folgenden: Secretary of State) andererseits wegen dessen Entscheidungen, den Klägern die Erlaubnis zur Einreise in das Hoheitsgebiet des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland zu dem Zweck, sich dort zur Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit niederzulassen, zu versagen und ihre Ausweisung aus dem Vereinigten Königreich, in das sie nur vorläufig aufgenommen worden waren, anzuordnen.

Rechtlicher Rahmen

Das Assoziierungsabkommen EWG-Türkei

3 Das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei, das von der Republik Türkei einerseits und den Mitgliedstaaten der EWG und der Gemeinschaft andererseits am 12. September 1963 in Ankara unterzeichnet und durch den Beschluss 64/732/EWG des Rates vom 23. Dezember 1963 im Namen der Gemeinschaft geschlossen, gebilligt und bestätigt wurde (ABl. L 64, 217, S. 3685, im Folgenden: Assoziierungsabkommen), hat nach seinem Art. 2 Abs. 1 zum Ziel, durch die schrittweise Herstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Art. 12 des Assoziierungsabkommens) sowie die Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit (Art. 13 des Assoziierungsabkommens) und des freien Dienstleistungsverkehrs (Art. 14 des Assoziierungsabkommens) eine beständige und ausgewogene Verstärkung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen, einschließlich im Bereich der Arbeitnehmer, zwischen den Vertragsparteien zu fördern, um die Lebenshaltung des türkischen Volkes zu verbessern und später den Beitritt der Republik Türkei zur Gemeinschaft zu erleichtern (vierter Erwägungsgrund der Präambel und Art. 28 des Assoziierungsabkommens).

4 Hierzu umfasst das Assoziierungsabkommen eine Vorbereitungsphase, die es der Republik Türkei ermöglichen soll, ihre Wirtschaft mit Hilfe der Gemeinschaft zu festigen (Art. 3 des...

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