Entscheidungsstichwort (Thema)
Richtlinie 91/439/EWG. Gegenseitige Anerkennung der Führerscheine. Fahrverbot. Entzug der Fahrerlaubnis. Gültigkeit eines während der Dauer des Fahrverbots in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen zweiten Führerscheins
Beteiligte
Tenor
Art. 1 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 8 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 über den Führerschein in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1882/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. September 2003 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, in seinem Hoheitsgebiet die Anerkennung einer Fahrberechtigung abzulehnen, die sich aus einem in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerschein ergibt, auf dessen Inhaber im erstgenannten Mitgliedstaat eine Maßnahme des Entzugs der Fahrerlaubnis, wenn auch erst nach der Erteilung des fraglichen Führerscheins, angewendet wurde, sofern dieser Führerschein während der Dauer der Gültigkeit einer Maßnahme der Aussetzung der im erstgenannten Mitgliedstaat erteilten Fahrerlaubnis ausgestellt wurde und sowohl diese Maßnahme als auch der Entzug aus zum Zeitpunkt der Ausstellung des zweiten Führerscheins bereits vorliegenden Gründen gerechtfertigt sind.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Landgericht Siegen (Deutschland) mit Entscheidung vom 29. November 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 3. Januar 2007, im Rahmen eines Strafverfahrens gegen
Frank Weber
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas (Berichterstatter) sowie der Richter J. Klučka und U. Lõhmus, der Richterin P. Lindh und des Richters A. Arabadjiev,
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Weber, vertreten durch Rechtsanwalt W. Säftel,
- der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von S. Fiorentino, avvocato dello Stato,
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes als Bevollmächtigten,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch G. Braun und N. Yerrell als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17. Juli 2008
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 über den Führerschein (ABl. L 237, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1882/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. September 2003 (ABl. L 284, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 91/439).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Strafverfahrens gegen Herrn Weber, in dem diesem vorgeworfen wird, am 6. Januar 2006 ein Kraftfahrzeug im deutschen Hoheitsgebiet geführt zu haben, ohne im Besitz der hierfür erforderlichen Fahrerlaubnis zu sein.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
Rz. 3
Der erste Erwägungsgrund der Richtlinie 91/439 lautet:
„Um einen Beitrag zur gemeinsamen Verkehrspolitik zu leisten, die Sicherheit im Straßenverkehr zu verbessern und die Freizügigkeit von Personen zu erleichtern, die sich in einem anderen Mitgliedstaat als dem niederlassen, in dem sie ihre Fahrprüfung abgelegt haben, ist ein einzelstaatlicher Führerschein nach EG-Muster wünschenswert, den die Mitgliedstaaten gegenseitig anerkennen und der nicht umgetauscht werden muss.”
Rz. 4
Im vierten Erwägungsgrund dieser Richtlinie heißt es:
„Aus Gründen der Sicherheit im Straßenverkehr sind Mindestvoraussetzungen für die Ausstellung eines Führerscheins festzulegen.”
Rz. 5
Im letzten Erwägungsgrund der Richtlinie 91/439 wird ausgeführt:
„Außerdem sollten aus Gründen der Verkehrssicherheit und des Straßenverkehrs die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, ihre innerstaatlichen Bestimmungen über den Entzug, die Aussetzung und die Aufhebung einer Fahrerlaubnis auf jeden Führerscheininhaber anzuwenden, der seinen ordentlichen Wohnsitz in ihrem Hoheitsgebiet begründet hat.”
Rz. 6
Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie bestimmt:
„Die von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine werden gegenseitig anerkannt.”
Rz. 7
Nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie 91/439 hängt die Ausstellung des Führerscheins von den folgenden Voraussetzungen ab:
- „vom Bestehen einer Prüfung der Fähigkeiten und Verhaltensweisen, vom Bestehen einer Prüfung der Kenntnisse und von der Erfüllung gesundheitlicher Anforderungen nach Maßgabe der Anhänge II und III;
- vom Vorhandensein eines ordentlichen Wohnsitzes oder vom Nachweis der Eigenschaft als Student – während eines Mindestzeitraums von sechs Monaten – im Hoheitsgebiet des ausstellenden Mitgliedstaats”.
Rz. 8
Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 91/439 lautet:
„Jede Person kann nur Inhaber eines einzigen von einem Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins sein.”
Rz. 9
Art. 8 Abs. 2 und 4 Unterabs. 1 der Richtlinie sieht vor:
„(2) Vorbehaltlich der Einhaltung des straf...