Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Artikel 49 EG. Freier Dienstleistungsverkehr. Unternehmen, das drittstaatsangehörige Arbeitnehmer einstellt. Unternehmen, das in einem anderen Mitgliedstaat Leistungen erbringt. EU-Entsendebestätigung
Beteiligte
Kommission der Europäischen Gemeinschaften |
Tenor
1. Die Republik Österreich hat gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 49 EG verstoßen, indem sie zum einen die Entsendung drittstaatsangehöriger Arbeitnehmer durch ein in einem anderen Mitgliedstaat ansässiges Unternehmen von der Einholung der „EU-Entsendebestätigung” nach § 18 Abs 12 bis 16 Ausländerbeschäftigungsgesetz abhängig macht, die nur erteilt wird, wenn erstens der betreffende Arbeitnehmer seit mindestens einem Jahr bei dem betreffenden Unternehmen beschäftigt ist oder mit diesem einen unbefristeten Arbeitsvertrag geschlossen hat und zweitens die Einhaltung der österreichischen Beschäftigungs- und Lohnbedingungen nachgewiesen wird, und indem sie zum anderen in § 10 Abs 1 Z 3 Fremdengesetz die automatische und ausnahmslose Versagung einer Einreise- oder Aufenthaltserlaubnis vorsieht, wodurch eine nachträgliche Legalisierung der Situation drittstaatsangehöriger Arbeitnehmer, die von einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen rechtmäßig entsandt worden sind, aber ohne Sichtvermerk in das Staatsgebiet eingereist sind, nicht möglich ist.
2. Die Republik Österreich trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Artikel 226 EG, eingereicht am 5. April 2004,
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch B. Eggers, E. Traversa und G. Braun als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Republik Österreich, vertreten durch E. Riedl, G. Hesse und C. Pesendorfer als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter J. N. Cunha Rodrigues, K. Lenaerts, M. Ilešič und E. Levits (Berichterstatter),
Generalanwalt: P. Léger,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. Oktober 2005,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 23. Februar 2006
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1 Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Republik Österreich dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 49 EG verstoßen hat, dass sie mit § 18 des österreichischen Ausländerbeschäftigungsgesetzes vom 20. März 1975 (AuslBG, BGBl I 218/1975) in seiner im BGBl I 120/1999 bekannt gemachten Fassung und § 10 Abs 1 Z 3 des Fremdengesetzes vom 14. Juli 1997 (FrG, BGBl I 75/1997) in seiner im BGBl I 34/2000 bekannt gemachten Fassung die Entsendung drittstaatsangehöriger Arbeitnehmer im Rahmen der Erbringung einer Dienstleistung in unverhältnismäßiger Weise einschränkt.
Rechtlicher Rahmen
2 § 18 Abs 1 AuslBG begründet die Pflicht, eine Bewilligung einzuholen, bevor Ausländer in Österreich von einem Arbeitgeber beschäftigt werden, der seinen Betriebssitz nicht im Gebiet dieses Mitgliedstaats hat. Für den Fall, dass ein Unternehmen mit Betriebssitz in einem Mitgliedstaat Drittstaatsangehörige zur Erbringung einer Dienstleistung in Österreich entsendet, sieht § 18 Abs 12 bis 16 AuslBG ein besonderes Verfahren vor. Danach wird die Bewilligung durch eine EU-Entsendebestätigung ersetzt, die unter bestimmten Voraussetzungen erteilt wird.
3 In § 18 Abs 12 AuslBG heißt es u. a.:
„Die Beschäftigung von Ausländern, die nicht von § 1 Abs 2 lit m erfasst sind und die von einem ausländischen Arbeitgeber mit Betriebssitz im Staatsgebiet eines Mitgliedstaates der Europäischen Union zur Erbringung einer vorübergehenden Dienstleistung in das Bundesgebiet entsandt werden, ist der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vor der Arbeitsaufnahme anzuzeigen. Die zuständige regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice hat binnen sechs Wochen eine Anzeigebestätigung (EU-Entsendebestätigung) auszustellen.”
4 Die Voraussetzungen für die Erteilung der EU-Entsendebestätigung sind in § 18 Abs 13 AuslBG festgelegt. Danach wird diese Bestätigung erteilt, wenn
- der entsandte drittstaatsangehörige Arbeitnehmer bei dem Unternehmen, das ihn im Herkunftsmitgliedstaat beschäftigt, ordnungsgemäß und dauerhaft seit mindestens einem Jahr in einem direkten Arbeitsverhältnis steht oder einen unbefristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen hat und
- die österreichischen Lohn- und Arbeitsbedingungen sowie sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen während der Entsendung eingehalten werden.
5 Nach dem Fremdengesetz gilt für drittstaatsangehörige Arbeitnehmer, die von einem in einem anderen Mitgliedstaat der Union ansässigen Unternehmen zur Erbringung einer Dienstleistung nach Österreich entsandt werden, für ihre Einreise in das österreichi...