Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Anwendungsbereich. Regelmäßige Kurzzeitvermietung von möblierten Räumen an Personen, die sich lediglich vorübergehend in der betreffenden Gemeinde aufhalten, ohne dort einen Wohnsitz zu begründen. Nationale Regelung, die für bestimmte Gemeinden eine Regelung der vorherigen Genehmigung vorsieht und die betreffenden Gemeinden damit betraut, die Voraussetzungen für die Erteilung der entsprechenden Genehmigungen festzulegen. Begriff der Genehmigungsregelung. Rechtfertigung. Unzureichendes Angebot an Wohnungen, die längerfristig zu einem erschwinglichen Preis vermietet werden. Verhältnismäßigkeit. Anforderungen an die Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigungen
Normenkette
Richtlinie 2006/123/EG Art. 4 Abs. 6, Art. 9-10
Beteiligte
Procureur général près la cour d'appel de Paris |
Tenor
1. Die Art. 1 und 2 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt sind dahin auszulegen, dass die Richtlinie auf eine Regelung eines Mitgliedstaats über gewerblich oder privat ausgeübte Tätigkeiten der regelmäßigen Kurzzeitvermietung von möblierten Wohnungen an Personen, die sich lediglich vorübergehend in der betreffenden Gemeinde aufhalten, ohne dort einen Wohnsitz zu begründen, anwendbar ist.
2. Art. 4 der Richtlinie 2006/123 ist dahin auszulegen, dass eine nationale Regelung, die die Ausübung bestimmter Tätigkeiten der Wohnraumvermietung von einer vorherigen Genehmigung abhängig macht, unter den Begriff der Genehmigungsregelung im Sinne von Nr. 6 der Vorschrift fällt.
3. Art. 9 Abs. 1 Buchst. b und c der Richtlinie 2006/123 ist dahin auszulegen, dass eine nationale Regelung, die bestimmte Tätigkeiten der regelmäßigen Kurzzeitvermietung von möblierten Wohnungen an Personen, die sich lediglich vorübergehend in der betreffenden Gemeinde aufhalten, ohne dort einen Wohnsitz zu begründen, um ein ausreichendes Angebot an Wohnungen, die längerfristig zu erschwinglichen Preisen vermietet werden, zu gewährleisten, in bestimmten Gemeinden mit besonders hohem Mietpreisdruck einer Regelung der vorherigen Genehmigung unterwirft, durch den zwingenden Grund des Allgemeininteresses der Bekämpfung des Mietwohnungsmangels gerechtfertigt und in Bezug auf das angestrebte Ziel verhältnismäßig ist, da dieses nicht durch ein milderes Mittel erreicht werden kann, insbesondere weil eine nachträgliche Kontrolle zu spät erfolgen würde, um wirksam zu sein.
4. Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2006/123 ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung, mit der eine Regelung eingeführt wird, die die Ausübung bestimmter Tätigkeiten der Vermietung von möblierten Wohnungen von einer vorherigen Genehmigung, die auf den Kriterien beruht, dass es sich um eine „regelmäßige Kurzzeitvermietung … an Personen, die sich lediglich vorübergehend in der betreffenden Gemeinde aufhalten, ohne dort einen Wohnsitz zu begründen”, handelt, abhängig macht und die örtlichen Behörden ermächtigt, die Voraussetzungen für die Erteilung der entsprechenden Genehmigungen nach den Vorgaben der Regelung im Hinblick auf das Ziel der sozialen Vermischung und unter Berücksichtigung der Lage auf den örtlichen Wohnungsmärkten und der Erforderlichkeit, den Wohnungsmangel nicht zu verstärken, im Einzelnen festzulegen und die Genehmigungen bei Bedarf mit der Verpflichtung zu einem Ausgleich durch gleichzeitige akzessorische Umwandlung von anders genutztem Raum in Wohnraum zu verbinden, nicht entgegensteht, sofern die Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigungen den Anforderungen des Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2006/123 entsprechen und die Ausgleichspflicht unter transparenten und zugänglichen Bedingungen erfüllt werden kann.
Tatbestand
In den verbundenen Rechtssachen
betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour de cassation (Kassationsgerichtshof, Frankreich), mit Entscheidungen vom 15. November 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 21. und 22. November 2018, in den Verfahren
Cali Apartments SCI (C-724/18),
HX (C-727/18)
gegen
Procureur général près la cour d'appel de Paris,
Ville de Paris
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, der Vizepräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot und A. Arabadjiev, der Kammerpräsidentinnen A. Prechal und L. S. Rossi, des Kammerpräsidenten I. Jarukaitis sowie der Richter E. Juhász, M. Ilešič, J. Malenovský, L. Bay Larsen, D. Šváby (Berichterstatter) und N. Piçarra,
Generalanwalt: M. Bobek,
Kanzler: V. Giacobbo, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. November 2019,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Cali Apartments SCI und von HX, vertreten durch P. Spinosi und V. Steinberg, avocats,
- der Ville de Paris, vertreten durch G. Parleani, D. Rooz und D. Foussard, avocats,
- der französischen Regierung, vertre...