Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft. Sendeunternehmen. Vervielfältigungsrecht für die Aufzeichnungen von Sendungen. Ausnahme für Privatkopien. Gerechter Ausgleich. Schaden, der den Sendeunternehmen entsteht. Gleichbehandlung. Nationale Regelung, die die Sendeunternehmen vom Anspruch auf einen gerechten Ausgleich ausschließt

 

Normenkette

Richtlinie 2001/29/EG Art. 2 Buchst. e, Art. 5 Abs. 2 Buchst. b

 

Beteiligte

Seven.One Entertainment Group

Seven.One Entertainment Group GmbH

Corint Media GmbH

 

Tenor

Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft

ist dahin auszulegen, dass

er einer nationalen Regelung entgegensteht, die Sendeunternehmen, deren Aufzeichnungen der Sendungen von natürlichen Personen zum privaten Gebrauch und nicht zu kommerziellen Zwecken vervielfältigt werden, vom Anspruch auf einen gerechten Ausgleich im Sinne dieser Bestimmung ausschließt, soweit die Sendeunternehmen einen potenziellen Schaden erleiden, der nicht nur „geringfügig“ ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache C-260/22

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landgericht Erfurt (Deutschland) mit Entscheidung vom 31. März 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 19. April 2022, in dem Verfahren

Seven.One Entertainment Group GmbH

gegen

Corint Media GmbH

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, der Richter T. von Danwitz, P. G. Xuereb und A. Kumin sowie der Richterin I. Ziemele (Berichterstatterin),

Generalanwalt: A. M. Collins,

Kanzler: K. Hötzel, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. März 2023,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • –        der Seven.One Entertainment Group GmbH, vertreten durch Rechtsanwälte C. Masch und W. Raitz von Frentz,
  • –        der Corint Media GmbH, vertreten durch Rechtsanwälte O. Fiss und M. von Albrecht,
  • –        der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller, J. Heitz und M. Hellmann als Bevollmächtigte,
  • –        der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von R. Guizzi, Avvocato dello Stato,
  • –        der österreichischen Regierung, vertreten durch G. Eberhard, F. Koppensteiner und G. Kunnert als Bevollmächtigte,
  • –        der Europäischen Kommission, vertreten durch G. von Rintelen und J. Samnadda als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 13. Juli 2023

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. 2001, L 167, S. 10).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Seven.One Entertainment Group GmbH (im Folgenden: Seven.One), einem Sendeunternehmen, und der Corint Media GmbH, einer Verwertungsgesellschaft, über die Zahlung des „gerechten Ausgleichs“ gemäß Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

In den Erwägungsgründen 4, 9, 31, 35 und 38 der Richtlinie 2001/29 heißt es:

„(4)      Ein harmonisierter Rechtsrahmen zum Schutz des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte wird durch erhöhte Rechtssicherheit und durch die Wahrung eines hohen Schutzniveaus im Bereich des geistigen Eigentums substantielle Investitionen in Kreativität und Innovation einschließlich der Netzinfrastruktur fördern und somit zu Wachstum und erhöhter Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie beitragen, und zwar sowohl bei den Inhalten und der Informationstechnologie als auch allgemeiner in weiten Teilen der Industrie und des Kultursektors. Auf diese Weise können Arbeitsplätze erhalten und neue Arbeitsplätze geschaffen werden.

(9)      Jede Harmonisierung des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte muss von einem hohen Schutzniveau ausgehen, da diese Rechte für das geistige Schaffen wesentlich sind. Ihr Schutz trägt dazu bei, die Erhaltung und Entwicklung kreativer Tätigkeit im Interesse der Urheber, ausübenden Künstler, Hersteller, Verbraucher, von Kultur und Wirtschaft sowie der breiten Öffentlichkeit sicherzustellen. Das geistige Eigentum ist daher als Bestandteil des Eigentums anerkannt worden.

(31)      Es muss ein angemessener Rechts- und Interessenausgleich zwischen den verschiedenen Kategorien von Rechtsinhabern sowie zwischen den verschiedenen Kategorien von Rechtsinhabern und Nutzern von Schutzgegenständen gesichert werden. Die von den Mitgliedstaaten festgelegten Ausnahmen und Beschränkungen in Bezug auf Schutzrechte müssen vor dem Hintergrund d...

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