Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Art. 43 EG. Niederlassungsfreiheit. Notare. Staatsangehörigkeitsvoraussetzung. Art. 45 EG. Teilhabe an der Ausübung öffentlicher Gewalt

 

Beteiligte

Kommission / Frankreich

Europäische Kommission

Französische Republik

 

Tenor

1. Die Französische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 43 EG verstoßen, dass sie für den Zugang zum Beruf des Notars eine Staatsangehörigkeitsvoraussetzung aufgestellt hat.

2. Die Französische Republik trägt die Kosten.

3. Die Republik Bulgarien, die Tschechische Republik, die Republik Lettland, die Republik Litauen, die Republik Ungarn, Rumänien, die Slowakische Republik und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland tragen ihre eigenen Kosten.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 12. Februar 2008,

Europäische Kommission, vertreten durch J.-P. Keppenne und H. Støvlbæk als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

unterstützt durch

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch E. Jenkinson und S. Ossowski als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

gegen

Französische Republik, vertreten durch E. Belliard, G. de Bergues und B. Messmer als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Republik Bulgarien, vertreten durch T. Ivanov und E. Petranova als Bevollmächtigte,

Tschechische Republik, vertreten durch M. Smolek als Bevollmächtigten,

Republik Lettland, vertreten durch L. Ostrovska, K. Drēviņa und J. Barbale als Bevollmächtigte,

Republik Litauen, vertreten durch D. Kriaučiūnas und E. Matulionytė als Bevollmächtigte,

Republik Ungarn, vertreten durch R. Somssich, K. Veres und M. Fehér als Bevollmächtigte,

Rumänien, vertreten durch C. Osman, A. Gheorghiu, A. Stoia und A. Popescu als Bevollmächtigte,

Slowakische Republik, vertreten durch J. Čorba und B. Ricziová als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten A. Tizzano, J. N. Cunha Rodrigues, K. Lenaerts, J.-C. Bonichot, A. Arabadjiev (Berichterstatter) und J.-J. Kasel sowie der Richterin R. Silva de Lapuerta, der Richter E. Juhász, G. Arestis und M. Ilešič, der Richterin C. Toader und des Richters M. Safjan,

Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

Kanzler: M.-A. Gaudissart, Referatsleiter,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. April 2010,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. September 2010

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 43 EG und 45 EG verstoßen hat, dass sie für den Zugang zum Beruf des Notars eine Staatsangehörigkeitsvoraussetzung aufgestellt hat.

Rechtlicher Rahmen

Allgemeine Ausgestaltung des Notarberufs in Frankreich

Rz. 2

Die Notare üben ihre Tätigkeiten nach der französischen Rechtsordnung freiberuflich aus. Dieser Berufsstand ist in der Ordonnance Nr. 45-2590 vom 2. November 1945 über die Stellung des Notariats (JORF vom 3. November 1945, S. 7160) in der durch das Gesetz Nr. 2004-130 vom 11. Februar 2004 (JORF vom 12. Februar 2004, S. 2847) geänderten Fassung geregelt.

Rz. 3

Nach Art. 1 dieser Ordonnance sind Notare „öffentliche Amtsträger, die eingesetzt sind, um alle Urkunden und Verträge aufzunehmen, denen die Parteien den mit behördlichen Urkunden verbundenen authentischen Charakter verschaffen müssen oder wollen, und um das Datum dieser Urkunden und Verträge festzuhalten, für ihre Aufbewahrung zu sorgen sowie Abschriften und Zweitschriften von ihnen auszustellen”.

Rz. 4

Nach Art. 1 der Ordonnance kann der Notar seinen Beruf allein, im Rahmen einer bürgerlich-rechtlichen Berufsausübungsgesellschaft oder einer Gesellschaft für Freiberufler oder als Angestellter einer im Notariatswesen tätigen natürlichen oder juristischen Person ausüben.

Rz. 5

Nach Art. 6-1 Abs. 1 der Ordonnance wird die zivilrechtliche Berufshaftpflicht der Notare durch einen Versicherungsvertrag mit dem Conseil supérieur du notariat abgedeckt.

Rz. 6

Die örtliche Zuständigkeit der Notare, ihre Zahl und ihr Amtssitz werden im Einklang mit den Bestimmungen des Dekrets Nr. 71-942 vom 26. November 1971 über die Errichtung, Übertragung und Aufhebung des Notariatsamts, die Beurkundungszuständigkeit und den Amtssitz der Notare, die Überwachung und die Übermittlung der Protokolle und Berufsregister der Notare (JORF vom 3. Dezember 1971, S. 11796) in der durch das Dekret Nr. 2005-311 vom 25. März 2005 (JORF vom 3. April 2005, S. 6062) geänderten Fassung bestimmt.

Rz. 7

Nach Art. 1 des Dekrets Nr. 78-262 vom 8. März 1978 zur Festlegung des Tarifs der Notare (JORF vom 10. März 1978, S. 995) in der durch das Dekret Nr. 2006-558 vom 16. Mai 2006 (JORF vom 18. Mai 2006, S. 7327) geänderten Fassung werden die den Notaren für ihre Leistungen geschuldeten Beträge anhand der Bestimm...

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