Entscheidungsstichwort (Thema)
Assoziierungsabkommen EG - Israel, Waren mit Ursprung im Westjordanland, Ablehnung der Gewährung der Präferenzbehandlung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Zollbehörden des Einfuhrmitgliedstaats können die durch das am 20. November 1995 in Brüssel unterzeichnete Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Staat Israel andererseits eingeführte Gewährung der Präferenzbehandlung verweigern, wenn die betreffenden Waren ihren Ursprung im Westjordanland haben. Die Zollbehörden des Einfuhrmitgliedstaats können keine Wahlfeststellung treffen, indem sie die Frage offenlassen, welches der in Betracht kommenden Abkommen, nämlich das Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Staat Israel andererseits und das am 24. Februar 1997 in Brüssel unterzeichnete Europa-Mittelmeer-Interimsassoziationsabkommen über Handel und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft einerseits und der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) zugunsten der Palästinensischen Behörde für das Westjordanland und den Gaza-Streifen andererseits, im vorliegenden Fall anzuwenden ist und ob der Ursprungsnachweis von den israelischen oder von den palästinensischen Behörden stammen muss.
2. Die Zollbehörden des Einfuhrstaats sind im Rahmen des Verfahrens nach Art. 32 des Protokolls Nr. 4 im Anhang des Europa-Mittelmeer-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Staat Israel andererseits nicht an den vorgelegten Ursprungsnachweis und die Antwort der Zollbehörden des Ausfuhrstaats gebunden, wenn diese Antwort im Sinne von Art. 32 Abs. 6 des Protokolls keine ausreichenden Angaben enthält, um den tatsächlichen Ursprung der Waren feststellen zu können. Die Zollbehörden des Einfuhrstaats sind nicht verpflichtet, dem nach Art. 39 dieses Protokolls eingerichteten Ausschuss für Zusammenarbeit im Zollwesen eine Streitigkeit über die Auslegung des räumlichen Geltungsbereichs des Abkommens vorzulegen.
Normenkette
Europa-Mittelmeer-Abkommen
Beteiligte
Hauptzollamt Hamburg-Hafen |
Verfahrensgang
Tatbestand
„Assoziierungsabkommen EG‐Israel ‐ Räumlicher Geltungsbereich ‐ Assoziierungsabkommen EG‐PLO ‐ Ablehnung der Gewährung der Präferenzbehandlung, die Waren mit Ursprung in Israel gewährt wurde, für Waren mit Ursprung im Westjordanland ‐ Zweifel am Ursprung der Waren ‐ Ermächtigter Ausführer ‐ Nachträgliche Prüfung der Erklärungen auf der Rechnung durch die Zollbehörden des Einfuhrstaats ‐ Wiener Vertragsrechtsübereinkommen ‐ Grundsatz der relativen Wirkung von Verträgen“
In der Rechtssache C-386/08
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Finanzgericht Hamburg (Deutschland) mit Entscheidung vom 30. Juli 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 1. September 2008, in dem Verfahren
Firma Brita GmbH
gegen
Hauptzollamt Hamburg-Hafen
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Dritten Kammer K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Vierten Kammer, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter E. Juhász, J. Malenovský (Berichterstatter) und T. von Danwitz,
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 3. September 2009,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der Firma Brita GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt D. Ehle,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Tufvesson, F. Hoffmeister und L. Bouyon als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 29. Oktober 2009
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des am 20. November 1995 in Brüssel unterzeichneten Europa-Mittelmeer-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Staat Israel andererseits (ABl. 2000, L 147, S. 3, im Folgenden: Assoziierungsabkommen EG‐Israel) unter Berücksichtigung des am 24. Februar 1997 in Brüssel unterzeichneten Europa-Mittelmeer-Interimsassoziationsabkommens über Handel und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft einerseits und der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) zugunsten der Palästinensischen Behörde für das Westjordanland und den Gaza-Streifen andererseits (ABl. 1997, L 187, S. 3, im Folgenden: Assoziierungsabkommen EG‐PLO).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Zollrechtsstreits zwischen der Firma Brita GmbH, einer Gesellschaft deutschen Rechts, und dem Hauptzollamt Hamburg-Hafen über die Entscheidung des Zollamts, der Klägerin des Ausgangsverfahrens bei der Einfuhr von Waren, die im Westjordanland hergestellt wurden...