Entscheidungsstichwort (Thema)

Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen. Besondere Zuständigkeiten bei Ansprüchen aus unerlaubter Handlung oder einer Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist. Negative Feststellungsklage. Recht des mutmaßlichen Schädigers, vor dem Gericht desjenigen Ortes, an dem angeblich ein schädigendes Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, eine Klage auf Feststellung zu erheben, dass dem potenziellen Geschädigten keine Ansprüche aus unerlaubter Handlung zustehen

 

Beteiligte

Folien Fischer und Fofitec

Folien Fischer AG

Fofitec AG

Ritrama SpA

 

Tenor

Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass eine negative Feststellungsklage mit dem Antrag, festzustellen, dass keine Haftung aus einer unerlaubten Handlung oder einer Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, besteht, unter diese Bestimmung fällt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 1. Februar 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 18. März 2011, in dem Verfahren

Folien Fischer AG,

Fofitec AG

gegen

Ritrama SpA

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter A. Borg Barthet, J.-J. Kasel und M. Safjan (Berichterstatter) sowie der Richterin M. Berger,

Generalanwalt: N. Jääskinen,

Kanzler: A. Impellizzeri, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. Februar 2012,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Folien Fischer AG und der Fofitec AG, vertreten durch Rechtsanwalt G. Jaekel,
  • der Ritrama SpA, vertreten durch Rechtsanwalt J. Petersen,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Kemper als Bevollmächtigte,
  • der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und B. Beaupère-Manokha als Bevollmächtigte,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels und B. Koopman als Bevollmächtigte,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch M. Szpunar als Bevollmächtigten,
  • der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes als Bevollmächtigten,
  • der schweizerischen Regierung, vertreten durch D. Klingele als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Bogensberger und M. Wilderspin als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 19. April 2012

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Folien Fischer AG (im Folgenden: Folien Fischer) und der Fofitec AG (im Folgenden: Fofitec), beide mit Sitz in der Schweiz, auf der einen Seite und der Ritrama SpA (im Folgenden: Ritrama) mit Sitz in Italien auf der anderen Seite über den Antrag der beiden Erstgenannten auf negative Feststellung, dass keine Haftung aus unerlaubter Handlung im Bereich des Kartellrechts besteht.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 3

Nach ihrem zweiten Erwägungsgrund wird mit der Verordnung Nr. 44/2001 im Interesse eines reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts darauf abgezielt, „Bestimmungen zu erlassen, um die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen zu vereinheitlichen und die Formalitäten im Hinblick auf eine rasche und unkomplizierte Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus den durch diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaaten zu vereinfachen”.

Rz. 4

Der elfte Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 44/2001 lautet:

„Die Zuständigkeitsvorschriften müssen in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten, und diese Zuständigkeit muss stets gegeben sein außer in einigen genau festgelegten Fällen, in denen aufgrund des Streitgegenstands oder der Vertragsfreiheit der Parteien ein anderes Anknüpfungskriterium gerechtfertigt ist. Der Sitz juristischer Personen muss in der Verordnung selbst definiert sein, um die Transparenz der gemeinsamen Vorschriften zu stärken und Kompetenzkonflikte zu vermeiden.”

Rz. 5

Der zwölfte Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 44/2001 sieht vor:

„Der Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten muss durch alternative Gerichtsstände ergänzt werden, die entweder aufgrund der engen Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit oder im Interesse einer geordneten Rechtspflege zuzulassen sind.”

Rz. 6

Im 15. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 44/2001 heißt es:

„Im Interesse einer abgestimmten Rechtspflege müssen Parallelverfahren so weit wie möglich vermieden werden, d...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge