Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsmittel. Wettbewerb. Kartelle. Sektor der Industriesäcke aus Kunststoff. Zurechenbarkeit einer Zuwiderhandlung der Tochtergesellschaft gegenüber der Muttergesellschaft. Überlange Dauer des Verfahrens vor dem Gericht. Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes

 

Beteiligte

Gascogne Sack Deutschland / Kommission

Europäische Kommission

Gascogne Sack Deutschland GmbH

 

Tenor

1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2. Die Gascogne Sack Deutschland GmbH trägt die Kosten des Rechtsmittelverfahrens.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 27. Januar 2012,

Gascogne Sack Deutschland GmbH, vormals Sachsa Verpackung GmbH, mit Sitz in Wieda (Deutschland), vertreten durch F. Puel und L. François-Martin, avocats,

Rechtsmittelführerin,

andere Partei des Verfahrens:

Europäische Kommission, vertreten durch F. Castillo de la Torre und N. von Lingen als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, des Vizepräsidenten K. Lenaerts, der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidenten M. Ilešič, L. Bay Larsen und M. Safjan, der Richter J. Malenovský, E. Levits, A. Ó Caoimh, J.-C. Bonichot, A. Arabadjiev und D. Šváby sowie der Richterin M. Berger (Berichterstatterin),

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: V. Tourrès, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 5. Februar 2013,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 30. Mai 2013

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Gascogne Sack Deutschland GmbH, vormals Sachsa Verpackung GmbH (im Folgenden für beide: Rechtsmittelführerin), die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 16. November 2011, Sachsa Verpackung/Kommission (T-79/06, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem ihre Klage auf Teilnichtigerklärung und Abänderung der Entscheidung K(2005) 4634 endg. der Kommission vom 30. November 2005 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] (Sache COMP/F/38.354 – Industrielle Sackverpackungen) (im Folgenden: streitige Entscheidung) abgewiesen worden ist, oder, hilfsweise, die Herabsetzung der mit dieser Entscheidung gegen sie verhängten Geldbuße.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 2

Die Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1), die die Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81 EG] und [82 EG] (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), ersetzt hat, bestimmt in Art. 23 Abs. 2 und 3, der an die Stelle von Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 getreten ist:

„(2) Die Kommission kann gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen verhängen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig

a) gegen Artikel 81 [EG] oder Artikel 82 [EG] verstoßen …

Die Geldbuße für jedes an der Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen oder jede beteiligte Unternehmensvereinigung darf 10 % seines bzw. ihres jeweiligen im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes nicht übersteigen.

(3) Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße ist sowohl die Schwere der Zuwiderhandlung als auch deren Dauer zu berücksichtigen.”

Rz. 3

In den zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Entscheidung geltenden Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 [KS] festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien von 1998), heißt es in Nr. 1, dass „[d]er Grundbetrag [der Geldbuße] … nach Maßgabe der Schwere und Dauer des Verstoßes als den einzigen Kriterien von Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 errechnet” wird.

Rz. 4

Bezüglich der Schwere des Verstoßes sieht Nr. 1 A Abs. 1 dieser Leitlinien vor, dass bei der Ermittlung der Schwere eines Verstoßes seine Art und die konkreten Auswirkungen auf den Markt, sofern diese messbar sind, sowie der Umfang des betreffenden räumlichen Marktes zu berücksichtigen sind.

Rz. 5

Nach Nr. 1 A Abs. 2 der Leitlinien von 1998 werden die Verstöße in drei Gruppen unterteilt, und zwar in minder schwere, schwere und besonders schwere Verstöße. Bei Letzteren handelt es sich insbesondere um horizontale Beschränkungen wie z. B. Preiskartelle und um Marktaufteilungsquoten.

Vorgeschichte des Rechtsstreits und streitige Entscheidung

Rz. 6

Die Rechtsmittelführerin ist eine Gesellschaft deutschen Rechts. Im Jahr 1994 wurden 90 % ihrer Geschäftsanteile von Gascogne Deutschland GmbH erworben, einer 100%igen Tochtergesellschaft der Groupe Gascogne SA (im Folgenden: Groupe Gascogne), einer Gesellschaft französischen Rechts. Die übrigen 10 % ihrer Geschäftsanteile wurden unmittelbar von Groupe Gascogne erworben. Im Jahr 2008 änderte sie ihren Namen ...

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