Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Rechtsangleichung. Marken. Ablehnung der Eintragung oder Ungültigkeit. Konkrete Beurteilung der Unterscheidungskraft. Qualifikation einer Marke. Auswirkung. Farbmarke oder Bildmarke. Grafische Darstellung einer Marke in Bildform. Eintragungsvoraussetzungen. Nicht ausreichend klare und eindeutige grafische Darstellung
Normenkette
Richtlinie 2008/95/EG Art. 2, 3 Abs. 1 Buchst. b
Beteiligte
Tenor
1. Art. 2 und Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken sind dahin auszulegen, dass die Qualifikation eines Zeichens im Zuge seiner Anmeldung durch den Anmelder als „Farbmarke” oder „Bildmarke” einer von mehreren maßgebenden Faktoren dafür ist, ob dieses Zeichen eine Marke im Sinne von Art. 2 dieser Richtlinie sein kann und ob diese Marke gegebenenfalls Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie aufweist, die zuständige Markenbehörde jedoch nicht von ihrer Verpflichtung zur Durchführung einer konkreten Gesamtprüfung der Unterscheidungskraft der betreffenden Marke entbindet, was bedeutet, dass diese Behörde die Eintragung eines Zeichens als Marke nicht allein aus dem Grunde ablehnen darf, dass es keine Unterscheidungskraft aufgrund seiner Benutzung im Zusammenhang mit den angemeldeten Waren oder Dienstleistungen erlangt habe.
2. Art. 2 der Richtlinie 2008/95 ist dahin auszulegen, dass er unter Umständen wie jenen des Ausgangsverfahrens der Eintragung eines Zeichens als Marke entgegensteht, wenn in der Anmeldung ein Widerspruch besteht – was das vorlegende Gericht zu überprüfen hat.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Korkein hallinto-oikeus (Verwaltungsgerichtshof, Finnland) mit Entscheidung vom 28. September 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 3. Oktober 2017, in dem Verfahren der
Oy Hartwall Ab,
Beteiligte:
Patentti- ja rekisterihallitus,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Siebten Kammer T. von Danwitz in Wahrnehmung der Aufgaben des Vorsitzenden der Vierten Kammer, der Richterin K. Jürimäe sowie der Richter C. Lycourgos, E. Juhász (Berichterstatter) und C. Vajda,
Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. September 2018,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Oy Hartwall Ab, vertreten durch J. Palm, oikeudenkäyntiavustaja,
- der finnischen Regierung, vertreten durch S. Hartikainen als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch É. Gippini Fournier, I. Koskinen und J. Samnadda als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 22. November 2018
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 und Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 2008, L 299, S. 25).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines von der Oy Hartwall Ab betriebenen Verfahrens wegen der Ablehnung der Eintragung einer von Hartwall angemeldeten Marke durch die Patentti- ja rekisterihallitus (Patent- und Registerverwaltung, Finnland).
Rechtlicher Rahmen
Richtlinie 2008/95
Rz. 3
Der sechste Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/95 lautet:
„Den Mitgliedstaaten sollte es weiterhin freistehen, Verfahrensbestimmungen für die Eintragung, den Verfall oder die Ungültigkeit der durch Eintragung erworbenen Marken zu erlassen. Es steht ihnen beispielsweise zu, die Form der Verfahren für die Eintragung und die Ungültigerklärung festzulegen, zu bestimmen, ob ältere Rechte im Eintragungsverfahren oder im Verfahren zur Ungültigerklärung oder in beiden Verfahren geltend gemacht werden müssen, und – wenn ältere Rechte im Eintragungsverfahren geltend gemacht werden dürfen – ein Widerspruchsverfahren oder eine Prüfung von Amts wegen oder beides vorzusehen. Die Mitgliedstaaten sollen weiterhin festlegen können, welche Rechtswirkung dem Verfall oder der Ungültigerklärung einer Marke zukommt.”
Rz. 4
Art. 2 „Markenformen”) dieser Richtlinie sieht vor:
„Marken können alle Zeichen sein, die sich grafisch darstellen lassen, insbesondere Wörter einschließlich Personennamen, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen und die Form oder Aufmachung der Ware, soweit solche Zeichen geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.”
Rz. 5
Art. 3 „Eintragungshindernisse – Ungültigkeitsgründe”) Abs. 1 und 3 der Richtlinie bestimmt:
„(1) Folgende Zeichen oder Marken sind von der Eintragung ausgeschlossen oder unterliegen im Falle der Eintragung der Ungültigerklärung:
…
b) Marken, die keine Unterscheidungskraft haben;
…
...