Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Öffentliche Aufträge. Öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen. Vergabe von Unteraufträgen. Verpflichtung des Betreibers, einen bedeutenden Teil der öffentlichen Personenverkehrsdienste selbst zu erbringen. Tragweite. Vergabeverfahren. Vergabe des Auftrags nach Maßgabe der Richtlinie 2004/18/EG
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 Art. 4 Abs. 7, Art. 5 Abs. 1; Richtlinie 2004/18/EG
Beteiligte
Tenor
1. Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates ist dahin auszulegen, dass bei der Vergabe eines Auftrags für den öffentlichen Personenverkehrsdienst mit Bussen Art. 4 Abs. 7 der Verordnung auf den Auftrag anwendbar bleibt.
2. Art. 4 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1370/2007 ist dahin auszulegen, dass er einen öffentlichen Auftraggeber nicht daran hindert, einem Betreiber, der mit der Verwaltung und Erbringung eines öffentlichen Personenverkehrsdienstes mit Bussen wie des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden betraut ist, eine Selbsterbringungsquote von 70 % aufzuerlegen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Vergabekammer Südbayern mit Entscheidung vom 5. Juni 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 10. Juni 2015, in dem Verfahren
Hörmann Reisen GmbH
gegen
Stadt Augsburg,
Landkreis Augsburg
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz, der Richter E. Juhász (Berichterstatter) und C. Vajda, der Richterin K. Jürimäe sowie des Richters C. Lycourgos,
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: A. Calot Escobar,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Hörmann Reisen GmbH, vertreten durch die Rechtsanwälte S. Roling und T. Martin,
- der Stadt Augsburg und des Landkreises Augsburg, vertreten durch Rechtsanwalt R. Wiemann,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Braun, A. Tokár und J. Hottiaux als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 28. Juni 2016
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 7 und Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates (ABI. 2007, L 315, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits, den die Hörmann Reisen GmbH gegen die Stadt Augsburg und den Landkreis Augsburg (im Folgenden gemeinsam: öffentliche Auftraggeber) wegen der Ordnungsmäßigkeit einer Ausschreibung für öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen führt.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 3
Im vierten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1370/2007 heißt es:
„Die Hauptziele des Weißbuchs der [Europäischen] Kommission vom 12. September 2001 ‚Die Europäische Verkehrspolitik bis 2010: Weichenstellungen für die Zukunft’ sind die Gewährleistung sicherer, effizienter und hochwertiger Personenverkehrsdienste durch einen regulierten Wettbewerb …”
Rz. 4
Im siebten Erwägungsgrund dieser Verordnung heißt es:
„Studien und die Erfahrungen der Mitgliedstaaten, in denen es schon seit einigen Jahren Wettbewerb im öffentlichen Verkehr gibt, zeigen, dass, sofern angemessene Schutzmaßnahmen vorgesehen werden, die Einführung des regulierten Wettbewerbs zwischen Betreibern zu einem attraktiveren und innovativeren Dienstleistungsangebot zu niedrigeren Kosten führt, ohne dass die Betreiber eines öffentlichen Dienstes bei der Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgaben behindert werden. …”
Rz. 5
Im neunten Erwägungsgrund dieser Verordnung heißt es:
„Um die öffentlichen Personenverkehrsdienste optimal nach den Bedürfnissen der Bevölkerung gestalten zu können, müssen alle zuständigen Behörden die Möglichkeit haben, die Betreiber eines öffentlichen Dienstes gemäß den Bedingungen dieser Verordnung frei auszuwählen und dabei die Interessen von kleinen und mittleren Unternehmen zu berücksichtigen. Um die Anwendung der Grundsätze der Transparenz, der Gleichbehandlung konkurrierender Betreiber und der Verhältnismäßigkeit zu gewährleisten, wenn Ausgleichsleistungen oder ausschließliche Rechte gewährt werden, müssen in einem öffentlichen Dienstleistungsauftrag der zuständigen Behörde an den ausgewählten Betreiber eines öffentlichen Dienstes die Art der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen und die vereinbarten Gegenleistungen festgelegt werden. …”
Rz. 6
Der 19. Erwägungsgrund der Verordnung lautet:
„Die Vergabe von Unteraufträgen kann zu einem effizienteren öffentlichen Personenverkehr beitragen und ermöglicht die Beteiligung weiterer Unternehmen neben dem Betreiber eines öffentlichen Dienstes, der den ...