Entscheidungsstichwort (Thema)
Umweltschutz. Richtlinie 2001/42/EG. Art. 2 und 3. Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme. Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen. Plan oder Programm. Fehlen einer vorherigen Umweltprüfung. Nichtigerklärung eines Plans oder eines Programms. Möglichkeit, die Wirkungen des Plans oder Programms aufrechtzuerhalten. Voraussetzungen
Beteiligte
Inter-Environnement Wallonie und Terre wallonne |
Inter-Environnement Wallonie ASBL |
Tenor
Ein nationales Gericht, das nach seinem nationalen Recht mit einer Klage auf Nichtigerklärung eines nationalen Rechtsakts befasst wird, der einen „Plan” oder ein „Programm” im Sinne der Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme darstellt, und das feststellt, dass ein solcher „Plan” oder ein solches „Programm” unter Verstoß gegen die in dieser Richtlinie vorgesehene Pflicht zur vorherigen Durchführung einer Umweltprüfung erlassen wurde, ist verpflichtet, alle in seinem nationalen Recht vorgesehenen allgemeinen oder besonderen Maßnahmen, einschließlich der Aussetzung und der Nichtigerklärung des angefochtenen „Plans” oder „Programms”, zu ergreifen, um dem Unterbleiben einer solchen Prüfung abzuhelfen. Unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Ausgangsverfahrens kann das vorlegende Gericht jedoch ausnahmsweise berechtigt sein, eine nationale Rechtsvorschrift anzuwenden, die es ihm gestattet, bestimmte Wirkungen eines für nichtig erklärten nationalen Rechtsakts aufrechtzuerhalten, sofern
- dieser nationale Rechtsakt eine Maßnahme zur ordnungsgemäßen Umsetzung der Richtlinie 91/676/EWG des Rates vom 12. Dezember 1991 zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen darstellt,
- die Verabschiedung und das Inkrafttreten des neuen nationalen Rechtsakts, der das Aktionsprogramm im Sinne von Art. 5 dieser Richtlinie enthält, es nicht ermöglichen, die sich aus der Nichtigerklärung des angefochtenen Erlasses ergebenden schädigenden Auswirkungen auf die Umwelt zu vermeiden,
- die Nichtigerklärung dieses angefochtenen Rechtsakts zur Folge hätte, dass hinsichtlich der Umsetzung der Richtlinie 91/676 ein rechtliches Vakuum geschaffen würde, das insofern noch nachteiliger für die Umwelt wäre, als die Nichtigerklärung zu einem geringeren Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen führen würde und damit dem wesentlichen Zweck dieser Richtlinie zuwiderliefe und
- eine ausnahmsweise Aufrechterhaltung der Wirkungen eines solchen Rechtsakts nur den Zeitraum umfasst, der zwingend notwendig ist, um Maßnahmen zu erlassen, die die Beseitigung der festgestellten Unregelmäßigkeit ermöglichen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Conseil d'État (Belgien) mit Entscheidung vom 18. Januar 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 26. Januar 2011, in dem Verfahren
Inter-Environnement Wallonie ASBL,
Terre wallonne ASBL
gegen
Région wallonne
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten A. Tizzano, J. N. Cunha Rodrigues, K. Lenaerts, J.-C. Bonichot und U. Lõhmus, der Richter A. Rosas, E. Levits, A. Ó Caoimh, L. Bay Larsen und T. von Danwitz, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) und des Richters E. Jarašiūnas,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. November 2011,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Inter-Environnement Wallonie ASBL, vertreten durch J. Sambon, avocat,
- der Terre wallonne ASBL, vertreten durch A. Lebrun, avocat,
- der belgischen Regierung, vertreten durch T. Materne als Bevollmächtigten im Beistand von A. Gillain, avocat,
- der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues, A. Adam und S. Menez als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch P. Oliver, A. Marghelis und B. D. Simon als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 8. Dezember 2011
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Voraussetzungen, unter denen „Pläne” oder „Programme” im Sinne der Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (ABl. L 197, S. 30), die nicht Gegenstand einer nach dieser Richtlinie vorgesehenen Umweltprüfung waren, vorläufig aufrechterhalten werden können.
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen der Inter-Environnement Wallonie ASBL (im Folgenden: Inter-Environnement Wallonie) und der Terre wallonne ASBL (im Folgenden: Terre wallonne) einerseits und der Wallonischen Region andererseits wegen der Nichtigerklärung des Erlasses der ...