Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Rechte des geistigen Eigentums. Allgemeine Verpflichtung in Bezug auf die Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe, die zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums erforderlich sind. Begriff ‚zumutbare und angemessene Prozesskosten’. Patentanwalt. Fehlende Möglichkeit der Beurteilung der Zumutbarkeit und Angemessenheit der der unterlegenen Partei in Rechnung gestellten Kosten durch den nationalen Richter

 

Normenkette

Richtlinie 2004/48/EG Art. 3, 14

 

Beteiligte

NovaText

NovaText GmbH

Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

 

Tenor

Die Art. 3 und 14 der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung oder einer Auslegung dieser Regelung entgegenstehen, die es dem mit einem unter diese Richtlinie fallenden Verfahren befassten Gericht nicht erlaubt, bei der Beurteilung, ob die der obsiegenden Partei entstandenen Prozesskosten zumutbar und angemessen sind, in jedem ihm vorgelegten Fall dessen spezifischen Merkmale gebührend zu berücksichtigen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 24. September 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 19. Oktober 2020, in dem Verfahren

NovaText GmbH

gegen

Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten I. Jarukaitis sowie der Richter M. Ilešič (Berichterstatter) und D. Gratsias,

Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der NovaText GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt V. Feurstein,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Braun und S. L. Kalėda als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 11. November 2021

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. 2004, L 157, S. 45, berichtigt im ABl. 2004, L 195, S. 16).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der NovaText GmbH und der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg (im Folgenden: Universität Heidelberg) über die Festsetzung von Kosten, die aufgrund der gemeinsamen Mitwirkung eines Rechtsanwalts und eines als „Patentanwalt” qualifizierten Sachverständigen an einem Gerichtsverfahren wegen Verletzung von Unionsmarken, deren Inhaber diese Universität ist, entstanden sind.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Die Erwägungsgründe 10 und 17 der Richtlinie 2004/48 lauten:

„(10) Mit dieser Richtlinie sollen diese Rechtsvorschriften einander angenähert werden, um ein hohes, gleichwertiges und homogenes Schutzniveau für geistiges Eigentum im Binnenmarkt zu gewährleisten.

(17) Die in dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe sollten in jedem Einzelfall so bestimmt werden, dass den spezifischen Merkmalen dieses Falles, einschließlich der Sonderaspekte jedes Rechts an geistigem Eigentum und gegebenenfalls des vorsätzlichen oder nicht vorsätzlichen Charakters der Rechtsverletzung gebührend Rechnung getragen wird.”

Rz. 4

Art. 1 („Gegenstand”) dieser Richtlinie lautet:

„Diese Richtlinie betrifft die Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe, die erforderlich sind, um die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums sicherzustellen. Im Sinne dieser Richtlinie umfasst der Begriff ‚Rechte des geistigen Eigentums’ auch die gewerblichen Schutzrechte.”

Rz. 5

Art. 2 („Anwendungsbereich”) Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:

„Unbeschadet etwaiger Instrumente in den Rechtsvorschriften der Gemeinschaft oder der Mitgliedstaaten, die für die Rechtsinhaber günstiger sind, finden die in dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe gemäß Artikel 3 auf jede Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums, die im Gemeinschaftsrecht und/oder im innerstaatlichen Recht des betreffenden Mitgliedstaats vorgesehen sind, Anwendung.”

Rz. 6

Kapitel II der Richtlinie enthält deren Art. 3 bis 15, die die in der Richtlinie 2004/48 geregelten Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe betreffen.

Rz. 7

Art. 3 („Allgemeine Verpflichtung”) der Richtlinie 2004/48 bestimmt:

„(1) Die Mitgliedstaaten sehen die Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe vor, die zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, auf die diese Richtlinie abstellt, erforderlich sind. Diese Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe müssen fair und gerecht sein, außerdem dürfen sie nicht unnötig kompliziert oder kostspielig sein und keine unangemessenen Fristen oder ungerechtfertigten Verzögerungen mit sich bringen.

(2) Diese Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe müssen darüber hinaus wirksam, verhältnismäßig und abschr...

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