Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialpolitik. Gleichbehandlung von Männern und Frauen. Anwendbarkeit des Artikels 119 EG-Vertrag (die Artikel 117 bis 120 EG-Vertrag sind durch die Artikel 136 EG bis 143 EG ersetzt worden) oder der Richtlinie 79/7/EWG. Französische Pensionsregelung für Zivilbeamte und Soldaten. Beamtinnen vorbehaltene Verbesserung beim Dienstalter für Kinder. Zulässigkeit nach Artikel 6 Absatz 3 des Abkommens über die Sozialpolitik und der Richtlinie 79/7/EWG
Beteiligte
Ministre de la Fonction publique, de la Réforme de l'État et de la Décentralisation |
Ministre de l'Économie, des Finances et de l'Industrie |
Tenor
Die aufgrund eines Systems wie des französischen Beamtenpensionssystems gezahlten Pensionen fallen in den Anwendungsbereich von Artikel 119 EG-Vertrag (die Artikel 117 bis 120 EG-Vertrag sind durch die Artikel 196 EG bis 143 EG ersetzt worden).
Ungeachtet der Bestimmungen des Artikels 6 Absatz 3 des Abkommens über die Sozialpolitik verstößt eine Vorschrift wie Artikel L. 12 Buchstabe b des Code des pensions civiles et militaires de retraite gegen den Grundsatz des gleichen Entgelts, soweit sie die Beamten, die nachweisen können, dass sie die Erziehung ihrer Kinder wahrgenommen haben, von der mit ihr eingeführten Verbesserung beim ruhegehaltsfähigen Dienstalter ausschließt.
Tatbestand
In der Rechtssache C-366/99
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom französischen Conseil d'État (Frankreich) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
Joseph Griesmar
gegen
Ministre de l'Économie, des Finances et de l'Industrie,
Ministre de la Fonction publique, de la Réforme de l'État et de la Décentralisation
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung des Artikels 119 EG-Vertrag (die Artikel 117 bis 120 EG-Vertrag sind durch die Artikel 136 EG bis 143 EG ersetzt worden), des Artikels 6 Absatz 3 des Abkommens über die Sozialpolitik (ABl. 1992, C 191, S. 91) und der Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit (ABl. 1979, L 6, S. 24)
erlässt
DER GERICHTSHOF
unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodríguez Iglesias, des Kammerpräsidenten P. Jann, der Kammerpräsidentinnen F. Macken und N. Colneric, des Kammerpräsidenten S. von Bahr sowie der Richter A. La Pergola, J.-P. Puissochet, L. Sevón, M. Wathelet, V. Skouris (Berichterstatter) und J. N. Cunha Rodrigues,
Generalanwalt: S. Alber
Kanzler: L. Hewlett, Verwaltungsrätin
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- von Herrn Griesmar, vertreten durch H. Masse-Dessen, avocat,
- der französischen Regierung, vertreten durch K. Rispal-Bellanger und A. Lercher, als Bevollmächtigte,
- der belgischen Regierung, vertreten durch P. Rietjens, als Bevollmächtigten,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch H. Michard, als Bevollmächtigte,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen von Herrn Griesmar, vertreten durch H. Masse-Dessen, der französischen Regierung, vertreten durch C. Bergeot als Bevollmächtigte, und der Kommission, vertreten durch H. Michard, in der Sitzung vom 9. Januar 2001,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 22. Februar 2001,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1.
Der Conseil d'État hat mit Entscheidung vom 28. Juli 1999, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Oktober 1999, gemäß Artikel 234 EG zwei Fragen nach der Auslegung des Artikels 119 EG-Vertrag (die Artikel 117 bis 120 EG-Vertrag sind durch die Artikel 136 EG bis 143 EG ersetzt worden), des Artikels 6 Absatz 3 des Abkommens über die Sozialpolitik (ABl. 1992, C 191, S. 91) und der Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit (ABl. 1979, L 6, S. 24) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2.
Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Herrn Griesmar einerseits und dem Minister für Wirtschaft, Finanzen und Industrie sowie dem Minister für den öffentlichen Dienst, die Staatsreform und die Dezentralisierung andererseits über die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem Herrn Griesmar eine Pension gewährt wurde.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3.
Artikel 119 Absätze 1 und 2 EWG-Vertrag bestimmt:
Jeder Mitgliedstaaten wird während der ersten Stufe den Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher Arbeit anwenden und in der Folge beibehalten.
Unter ‚Entgelt’ im Sinne dieses Artikels sind die üblichen Grund- oder Mindestlöhne und -gehälter sowie alle sonstigen Vergütungen zu verstehen, die der Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer mittelbar und unmittelbar in bar oder in Sachleistungen zahlt.
4.
Das Abkommen über die Sozialpolitik trat am selben Tag wie der EG-Vertrag in Kraft, d. h. am 1. November 1993.
5.
Artikel 6 Absätze 1 und 2 des Abkommens über die Sozialpolitik ...