Entscheidungsstichwort (Thema)
Verordnung (EWG) Nr. 2092/91. Landwirtschaftliche Erzeugnisse des ökologischen Landbaus. Private Kontrollstellen. Erfordernis einer Niederlassung oder dauerhaften Infrastruktur im Mitgliedstaat der Erbringung der Leistung. Rechtfertigungsgründe. Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt. Art. 55 EG. Verbraucherschutz
Beteiligte
Kommission der Europäischen Gemeinschaften |
Bundesrepublik Deutschland |
Tenor
1. Die Bundesrepublik Deutschland hat mit der Forderung, dass in einem anderen Mitgliedstaat zugelassene private Kontrollstellen für Erzeugnisse des ökologischen Landbaus im deutschen Hoheitsgebiet eine Niederlassung unterhalten müssen, damit sie dort Kontrollleistungen erbringen können, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 49 EG verstoßen.
2. Die Bundesrepublik Deutschland trägt die Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 17. November 2005,
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch E. Traversa und G. Braun als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch M. Lumma und C. Schulze-Bahr als Bevollmächtigte,
Beklagte,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter A. Tizzano, A. Borg Barthet, M. Ilešič und E. Levits (Berichterstatter),
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 12. Juli 2007
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1 Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland mit der Forderung, dass private Kontrollstellen für Erzeugnisse des ökologischen Landbaus (im Folgenden: private Kontrollstellen), die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig und zugelassen sind, in Deutschland einen Geschäftssitz oder eine andere dauerhafte Infrastruktur unterhalten müssen, damit sie dort ihre Tätigkeit ausüben können, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 49 EG verstößt.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
2 Die Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 des Rates vom 24. Juni 1991 über den ökologischen Landbau und die entsprechende Kennzeichnung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse und Lebensmittel (ABl. L 198, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1804/1999 des Rates vom 19. Juli 1999 (ABl. L 222, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 2092/91) setzt Mindestvorschriften für den ökologischen Landbau, die Verfahren zu seiner Kontrolle und die Bescheinigung der aus ihm hervorgegangenen Erzeugnisse fest. Nach der Verordnung können die Erzeugnisse, die den darin festgelegten Anforderungen entsprechen, insbesondere durch Etikettierung den Vermerk „Ökologische Agrarwirtschaft – EG-Kontrollsystem” oder „Biologische Landwirtschaft – EG-Kontrollsystem” erhalten.
3 Die Art. 1, 2 und 4 der Verordnung Nr. 2092/91 listen die erfassten Erzeugnisse des ökologischen Landbaus und ihre Kennzeichnungen auf und definieren verschiedene Begriffe. Nach Art. 3 gilt die Verordnung unbeschadet der sonstigen Rechtsvorschriften der Gemeinschaft oder der damit im Einklang stehenden nationalen Vorschriften. Art. 5 legt die Voraussetzungen fest, unter denen bei der Kennzeichnung oder Werbung auf den ökologischen Landbau Bezug genommen werden darf, während Art. 6 die Erzeugungsvorschriften erläutert, die der Begriff „ökologischer Landbau” einschließt.
4 Art. 8 der Verordnung Nr. 2092/91 lautet:
„(1) Jedes Unternehmen, das mit dem Ziel der Vermarktung Erzeugnisse gemäß Artikel 1 erzeugt, aufbereitet oder aus einem Drittland einführt, ist verpflichtet,
- diese Tätigkeit bei der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, in dem diese Tätigkeit ausgeübt wird, zu melden; die Meldung muss die in Anhang IV genannten Angaben enthalten;
- seine Tätigkeit dem Kontrollverfahren gemäß Artikel 9 zu unterstellen.
(2) Die Mitgliedstaaten bestimmen eine für die Entgegennahme solcher Meldungen zuständige Behörde oder Stelle.
Die Mitgliedstaaten können die Mitteilung ergänzender Angaben vorsehen, die ihnen für eine wirksame Kontrolle der betreffenden Unternehmen geboten erscheinen.
(3) Die zuständige Behörde stellt sicher, dass den betreffenden Personen eine auf den neuesten Stand gebrachte Liste mit Namen und Adressen der den Kontrollmaßnahmen unterworfenen Unternehmen zur Verfügung gestellt wird.”
5 Art. 9 der Verordnung Nr. 2092/91 bestimmt:
„(1) Die Mitgliedstaaten schaffen ein Kontrollverfahren, das von einer oder mehreren hierfür bestimmten Kontrollbehörden und/oder von zugelassenen privaten Kontrollstellen durchzuführen ist und dem die Unternehmen, die Erzeugnisse gemäß Artikel 1 erzeugen, aufbereiten oder aus Drittländern einführen, unterstellt werden.
(2) Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, damit einem Unternehmen, das die Bestimmungen dieser Verordnung einhält und seinen Beitrag zu den Kosten der Kontrollmaß...