Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittel. Staatliche Beihilfen. Gebührensystem für die Abwassersammlung. Beschwerde. Beschluss, mit dem das Nichtvorliegen einer staatlichen Beihilfe festgestellt wird. Nichtigkeitsklage. Zulässigkeit. Klagebefugnis. Rechtsakt mit Verordnungscharakter, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht. Unmittelbare Betroffenheit
Normenkette
AEUV Art. 107 Abs. 1, Art. 263 Abs. 4
Beteiligte
Danske Slagtermestre/ Kommission |
Tenor
1. Der Beschluss des Gerichts der Europäischen Union vom 1. Dezember 2020, Danske Slagtermestre/Kommission (T-486/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:576), wird aufgehoben.
2. Die Klage im ersten Rechtszug ist zulässig.
3. Die Sache wird zur Entscheidung über die Begründetheit an das Gericht der Europäischen Union zurückverwiesen.
4. Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 17. Februar 2021,
Danske Slagtermestre mit Sitz in Odense (Dänemark), vertreten durch H. Sønderby Christensen, Advokat,
Rechtsmittelführerin,
andere Parteien des Verfahrens:
Europäische Kommission, vertreten durch L. Grønfeldt und P. Němečková als Bevollmächtigte,
Beklagte im ersten Rechtszug,
Königreich Dänemark, vertreten durch J. Nymann-Lindegren, V. Pasternak Jørgensen, M. Søndahl Wolff und L. Teilgård als Bevollmächtigte,
Streithelfer im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Lycourgos (Berichterstatter), der Richter S. Rodin und J.-C. Bonichot sowie der Richterinnen L. S. Rossi und O. Spineanu-Matei,
Generalanwalt: A. Rantos,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 24. Februar 2022
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrem Rechtsmittel beantragt Danske Slagtermestre die Aufhebung des Beschlusses des Gerichts der Europäischen Union vom 1. Dezember 2020, Danske Slagtermestre/Kommission (T-486/18, nicht veröffentlicht, im Folgenden: angefochtener Beschluss, EU:T:2020:576), mit dem dieses ihre Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses C(2018) 2259 final der Kommission vom 19. April 2018 über die staatliche Beihilfe SA.37433 (2017/FC) – Dänemark (im Folgenden: streitiger Beschluss) als unzulässig abgewiesen hat. Mit dem streitigen Beschluss war am Ende des Vorprüfungsverfahrens festgestellt worden, dass die durch das Lov nr. 902/2013 om ændring af lov om betalingsregler for spildevandsforsyningsselskaber m.v. (Betalingsstruktur for vandafledningsbidrag, bemyndigelse til opgørelse af særbidrag for behandling af særlig forurenet spildevand m.v.) (Gesetz Nr. 902/2013 zur Änderung des Gesetzes über die Regelung der Gebühren für Abwasserentsorgungsunternehmen [Gebührenstruktur für die Abwasserentsorgung mit der Möglichkeit der Erhebung besonderer Gebühren für die Behandlung besonders verschmutzter Abwässer etc.]) eingeführte Gebühr bestimmten Unternehmen keinen Vorteil verschafft und daher keine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellt.
Vorgeschichte des Rechtsstreits
Rz. 2
Die Rechtsmittelführerin ist ein Berufsverband, der geltend macht, dänische Kleinschlachtbetriebe, Großhändler, Metzgereien und verarbeitende Unternehmen zu vertreten. Am 26. September 2013 reichte Danske Slagtermestre bei der Kommission eine Beschwerde mit der Begründung ein, dass das Königreich Dänemark mit dem Erlass des Gesetzes Nr. 902/2013 eine staatliche Beihilfe zugunsten großer Schlachthöfe in Form einer Verringerung der Gebühren für die Abwasserbehandlung gewährt habe.
Rz. 3
Vor Inkrafttreten dieses Gesetzes sahen die dänischen Rechtsvorschriften eine einheitliche Abgabe pro Kubikmeter für alle an dieselbe Abwasserbehandlungsanlage angeschlossenen Verbraucher vor, unabhängig von ihrem Tätigkeitsbereich und ihrem Verbrauch. Mit dem Gesetz Nr. 902/2013 wurde ein degressives Modell in Stufen eingeführt, das einen Tarif pro Kubikmeter Abwasser vorsieht, der sich nach dem abgelassenen Abwasservolumen richtet (im Folgenden: Stufenmodell).
Rz. 4
Das Stufenmodell ist wie folgt ausgestaltet:
- Stufe 1 entspricht einem Wasserverbrauch von bis zu 500 m³ pro Jahr pro Grundstück;
- Stufe 2 entspricht dem Teil des Wasserverbrauchs, der zwischen 500 m³ und 20 000 m³ pro Jahr pro Grundstück beträgt, und
- Stufe 3 entspricht dem Teil des Wasserverbrauchs, der über 20 000 m³ pro Jahr pro Grundstück hinausgeht.
Rz. 5
Die Betreiber der Abwasserbehandlungsanlagen legen den Tarif pro Kubikmeter für jeden der Abschnitte wie folgt fest:
- der Tarif pro Kubikmeter des Abschnitts 2 ist um 20 % niedriger als der Tarif des Abschnitts 1, und
- der Tarif pro Kubikmeter des Abschnitts 3 ist um 60 % niedriger als der Tarif des Abschnitts 1.
Rz. 6
Im Rahmen des Stufenmodells zahlen die Verbraucher, die unter den dritten Abschnitt fallen, zunächst den für den ersten Abschnitt vorgesehenen Tarif, bis ihr Wasserverb...