1 Leitsatz

Die Klage der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegen den Ex-Verwalter ist eine WEG-Streitigkeit.

2 Normenkette

§ 233 ZPO; § 43 Abs. 2 Nr. 2 WEG

3 Das Problem

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer K und der ehemalige Verwalter B streiten, ob B Schadensersatz wegen nicht beigetriebener Hausgelder schuldet. Das AG verurteilt B. In der Rechtsmittelbelehrung des dem B am 26.3.2021 zugestellten Urteils wird das LG Halle als zuständiges Berufungsgericht bezeichnet. Dorthin richtet B seine Berufung. Nach einem Hinweis vom 1.6.2021, das zuständige Berufungsgericht sei das LG Dessau-Roßlau, nimmt B die Berufung bei dem LG Halle zurück.

Anschließend legt er am 8.6.2021 Berufung beim LG Dessau-Roßlau ein, begründet diese und beantragt Wiedereinsetzung. Das LG weist den Wiedereinsetzungsantrag zurück und verwirft die Berufung als unzulässig. Dagegen wendet sich der B mit der Rechtsbeschwerde. Mit Beschluss vom 15.10.2021 hebt das LG Dessau-Roßlau auf eine Anhörungsrüge des B seine ursprüngliche Entscheidung auf, gewährt Wiedereinsetzung und bestimmt einen Termin zur mündlichen Verhandlung.

4 Die Entscheidung

Der BGH erhält die Rechtsbeschwerde für zulässig, obwohl das LG seine falsche Wiedereinsetzungsentscheidung mittlerweile korrigiert hat. Er hält diese Entscheidung für rechtsfehlerhaft. Das LG sei auf die Anhörungsrüge nicht befugt gewesen, Wiedereinsetzung zu gewähren. Die Voraussetzungen des § 321a ZPO hätten nicht vorgelegen.

Die Rechtsbeschwerde sei auch begründet. Die Ansicht, die Versäumung der Berufungsfrist durch B beruhe entscheidend auf dessen Verschulden, sei unzutreffend. Das LG hätte dem B Wiedereinsetzung gewähren müssen. Dieser habe die Berufungs- und die Berufungsbegründungsfrist unverschuldet versäumt und die Wiedereinsetzungsfristen gewahrt. Schadensersatzansprüche einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegen den ehemaligen Verwalter seien eine WEG-Streitigkeit. Die Einlegung bei dem falschen Berufungsgericht habe auf der fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung des AG beruht und einen unverschuldeten Rechtsirrtum begründet.

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall geht es um eine falsche Belehrung: Das AG schickt B zum falschen Gericht. Fraglich ist, ob B aus diesem Grund wegen der Überschreitung der Berufungseinlegungsfrist Wiedereinsetzung erlangen kann.

Rechtsmittel beim falschen LG: Grundsatz

Wird ein Rechtsmittel bei einem allgemeinen LG und nicht bei dem nach § 72 Abs. 2 GVG zuständigen gemeinsamen Berufungs- und Beschwerdegericht eingelegt, können die Parteien formlos Abgabe an das funktionell zuständige LG anregen. § 281 ZPO ist hingegen nicht unmittelbar und grundsätzlich auch nicht entsprechend anwendbar.

Rechtsmittel beim falschen LG: Ausnahme

Etwas anderes soll gelten, wenn für eine Fallgruppe erstens noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ob sie als WEG-Streitigkeit anzusehen ist, und wenn man zweitens über die Beantwortung dieser Frage mit "guten Gründen" unterschiedlicher Auffassung sein kann. Für die Verweisung bedarf es in diesem Fall – wie stets – eines Antrags, auf den das Gericht allerdings hinzuweisen hat.

Falsche Rechtsmittelbelehrung

Eine falsche Rechtsmittelbelehrung ändert an den Grundsätzen nichts. Der dadurch verursachte unverschuldete Rechtsirrtum führt nicht dazu, dass die bei dem funktionell unzuständigen Gericht eingelegte Berufung die Berufungsfrist wahrt und der Rechtsstreit auf Antrag in entsprechender Anwendung des § 281 ZPO an das zuständige Gericht zu verweisen ist. Vielmehr wird dem unverschuldeten Rechtsirrtum dadurch Rechnung getragen, dass die mit der Berufungseinlegung bei dem unzuständigen Berufungsgericht entstandene Fristversäumnis durch erneute Berufungseinlegung bei dem zuständigen Gericht verbunden mit einem Antrag gem. § 233 ZPO auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand behoben werden kann.

Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Auch ein Rechtsanwalt, der Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist, darf in der Regel darauf vertrauen, dass die Rechtsmittelbelehrung in Wohnungseigentumssachen und in Zivilsachen mit wohnungseigentumsrechtlichem Bezug zutreffend ist (BGH, Beschluss v. 28.9.2017, V ZB 109/16).

6 Entscheidung

BGH, Beschluss v. 24.2.2022, V ZB 59/21

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