Haufe Redaktion, Hans-Albert Wegner †
Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts sind Gaststätten und Vergnügungsstätten ortsfeste Anlagen im Sinne des § 22 Abs. 1 BImSchG, die so zu errichten und zu betreiben sind, dass schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, und nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Zu den schädlichen Umwelteinwirkungen zählen nach § 3 Abs. 1 und 2 BImSchG auch erheblich belästigende Geräusche und Gerüche, denen die Wohnnachbarschaft derartiger Betriebe ausgesetzt ist.
Der Standard für die Zumutbarkeit von Lärmbelästigungen wird in der Technischen Anleitung zum Schutz vor Lärm (TA Lärm) definiert. Als Orientierungshilfe für die Bewertung der Zumutbarkeit von Geruchsbelästigungen dient der Rechtsprechung die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL).
3.1 Technische Anleitung zum Schutz vor Lärm (TA Lärm)
Von der Rechtsprechung werden die von Gast- und Vergnügungsstätten ausgehenden Geräusche als besonders lästig bewertet, weil sie mit ihren unterschiedlichen Frequenzmustern und Schallpegeln sehr viel weniger gewöhnungsbedürftig sind als hinsichtlich Zeitstruktur, Frequenzzusammensetzung und Schallpegel gleichförmiger Geräusche. Diese Geräusche wirken eher monoton und damit weniger lästig.
Bei der Beurteilung der Frage, ob Lärmbelästigungen erheblich im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG (bei öffentlich-rechtlichen Nachbarklagen) oder wesentlich im Sinne von § 906 Abs. 1 BGB (bei zivilrechtlichen Nachbarklagen) sind, orientieren sich die Gerichte an der TA Lärm als dem zur Lärmbeurteilung maßgeblichen technischen Regelwerk, das als sog. normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift bezeichnet wird.
Grundsätzlich kann von einer erheblichen bzw. wesentlichen und damit die Zumutbarkeitsschwelle überschreitenden Lärmbelästigung der Wohnnachbarschaft eines Gast- oder Vergnügungsstättenbetriebs ausgegangen werden, wenn der am betroffenen Wohnhaus gemessene Lärm folgende Lärmrichtwerte der TA Lärm übersteigt.
LärmrichtwerteWo? |
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Lärmrichtwerte der TA Lärm in dB(A) |
in Industriegebieten |
tagsüber und nachts |
70 |
in Gewerbegebieten |
tagsüber nachts |
65 50 |
in Kerngebieten, Dorfgebieten und Mischgebieten |
tagsüber nachts |
60 45 |
in allgemeinen Wohngebieten und Kleinsiedlungsgebieten |
tagsüber nachts |
55 40 |
in reinen Wohngebieten |
tagsüber nachts |
50 35 |
in Kurgebieten, für Krankenhäuser und Pflegeanstalten |
tagsüber nachts |
45 35 |
Die Bewertung der Zumutbarkeit von Lärmeinwirkungen auf die Nachbarschaft orientiert sich bei diesen umgebungsbezogenen Lärmrichtwerten an der Schutzwürdigkeit des Einwirkungsorts und seiner bauplanungsrechtlichen Zuordnung dergestalt, dass Kurgebiete den höchsten Schutzstandard für sich in Anspruch nehmen können, wohingegen in Industriegebieten wegen der dort ohnehin bestehenden Lärmvorbelastung der niedrigste Schutzstandard gilt. Bei Fehlen eines Bebauungsplans ist die tatsächliche bauliche Nutzung ausschlaggebend.
Einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen dürfen die Lärmrichtwerte am Tag um nicht mehr als 30 dB(A) und in der Nacht um nicht mehr als 20 dB(A) überschreiten.
Die Lärmrichtwerte für Wohnungen, die baulich an einen lärmintensiven Gast- oder Vergnügungsstättenbetrieb angrenzen, sind gebietsunabhängig. Sie betragen für die Tageszeit 35 dB(A) und für die Nacht 25 dB(A). Mit dieser Regelung soll der notwendige Schallschutz von Wohnungen bei der Geräuschübertragung innerhalb von Gebäuden sichergestellt werden. Einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen dürfen die Lärmrichtwerte um nicht mehr als 10 dB(A) übersteigen.
Als Nachtzeit ist in der TA Lärm die Zeitspanne von 22 bis 6 Uhr festgelegt.
Bei sog. Gemengelagen, bei denen gewerblich genutzte und zum Wohnen dienende Grundstücke aneinander grenzen, ist nach Nr. 6.7 TA Lärm diesem Umstand dadurch Rechnung zu tragen, dass die für Wohngebiete geltenden Lärmrichtwerte auf einen geeigneten Zwischenwert der für die angrenzenden Gebietstypen jeweils geltenden Werte erhöht werden. Die in Nr. 6.7 TA Lärm zum Ausdruck kommende Bewertung entspricht dem von der Rechtsprechung entwickelten Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme, das aus der Situationsgebundenheit von Grundstücken abgeleitet wird, die im Grenzbereich von Baugebieten mit unterschiedlich hohem Schutzniveau liegen. Wenn also ein Gewerbegebiet mit einem Lärmrichtwert von tagsüber 65 dB(A) und ein allgemeines Wohngebiet mit einem Lärmrichtwert von tagsüber 55 dB(A) aneinander grenzen, bedeutet das für einen im Grenzbereich des allgemeinen Wohngebiets wohnenden Nachbar, dass er nicht einen Lärmrichtwert von tagsüber 55 dB(A) zu seinem Schutz einfordern kann, sondern nur einen solchen von 60 dB(A) als Mittelwert der für die angrenzenden Gebietstypen jeweils geltenden unterschiedlichen Lärmrichtwerte.
Befristete Gaststättenerlaubnis
Wird eine Gaststättenerlaubnis aus besonderem Anlass wie dem einer dörflichen Kirchweih nach § 12 Abs. 1 GastG unter erleichterten Voraussetzungen vorübergehend erteilt, so ...