1 Leitsatz
Ist für die im Sondereigentum stehenden Räume eines Teileigentums vereinbart, dass als Gebrauch "Laden mit Lager" erlaubt ist, widerspricht der Gebrauch der Räume als "Eltern-Kind-Zentrum" dieser Vereinbarung. Der Gebrauch kann sich allerdings nach einer typisierenden Betrachtungsweise, auf die sich auch ein Mieter als Fremdnutzer berufen kann, als zulässig erweisen.
2 Normenkette
WEG § 15 Abs. 2; BGB § 1004 Abs. 1; BImSchG § 22 Abs. 1a
3 Das Problem
Wohnungseigentümer K geht gegen Mieter B, einen Verein, im Hauptantrag nach § 1004 Abs. 1 BGB vor. B gebraucht die im Sondereigentum stehenden Räume eines Teileigentums als "Eltern-Kind-Zentrum". K weist darauf hin, dass die Räume in einer Anlage der Teilungserklärung als "Laden mit Lager" bezeichnet sind. Das Landgericht gibt dem Hauptantrag statt. Die dagegen gerichtete Berufung bleibt erfolglos. Dagegen richtet sich die Revision.
4 Die Entscheidung
Mit Erfolg! Zwar gebe es eine Gebrauchsvereinbarung. B sei dieser Gebrauchsvereinbarung auch als Mieter unterworfen. Der Gebrauch, den B von den Räumen mache, sei indes nach einer typisierenden Betrachtungsweise, auf die sich auch ein Mieter berufen könne, nicht zu beanstanden. Die Geräusche, die von einem Eltern-Kind-Zentrum im Hinblick auf die dort typischerweise stattfindenden gemeinsamen Aktivitäten der Kinder und ihrer Familienangehörigen ausgingen, seien in tatsächlicher Hinsicht in der Regel zwar konzentrierter und lauter, als dies bei einer Verkaufsstätte zum Vertrieb von Waren üblicherweise zu erwarten sei. Bei der Bewertung sei aber – sei nichts anderes vereinbart – § 22 Abs. 1a BImSchG zu berücksichtigen, jedenfalls in gemischten Anlagen mit Wohnungen und Gewerbe. Dies gelte auch für Gebrauchsvereinbarungen, die vor Inkrafttreten des § 22 Abs. 1a BImSchG getroffen worden seien.
Hinweis
Im Fall wendet sich ein Wohnungseigentümer gegen den Gebrauch des Mieters. Er meint, die Vereinbarung, die Räume des Teileigentums nur als "Laden mit Lager" zu gebrauchen, gelte nicht nur unter den Wohnungseigentümern, sondern auch gegenüber dem Mieter. Was insoweit gilt, hatte der BGH erst wenige Wochen vor der Entscheidung für die Praxis geklärt (BGH, Urteil v. 25.10.2019, V ZR 271/18). Überblick:
- Gemeinschaftliches Eigentum: Soweit es um den Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums geht, sind jetzt alle Fragen beantwortet. Unausgesprochene Prämisse ist, dass der Mieter das gemeinschaftliche Eigentum mitgebrauchen darf, z. B. das Treppenhaus, Räume, die im gemeinschaftlichen Eigentum stehen, die Außenflächen, aber auch Außenstellplätze, soweit daran keine Sondernutzungsrechte bestehen. Der Mieter darf an allen diesen Flächen und Räumen (nur) den Gebrauch ausüben, den auch der vermietende Wohnungseigentümer daran ausüben darf. Ob (irgend-)eine Vereinbarung den Gebrauch regelt – auch eine, die nicht zum Inhalt des Sondereigentums gemacht worden ist –, oder ein Beschluss, ist unerheblich. Als Argument führt der BGH die Überlegung an, der vermietende Wohnungseigentümer könne dem Mieter sein Recht übertragen, das gemeinschaftliche Eigentum zu gebrauchen, wie er selbst zum Gebrauch berechtigt sei.
- Sondereigentum: Beim Sondereigentum ist die Kuh nur insoweit vom Eis, soweit es um verdinglichte Vereinbarungen geht, also solche, die die Wohnungseigentümer zum Inhalt des Sondereigentums gemacht haben. Was hingegen für die – sehr seltenen – bloß schuldrechtlichen Vereinbarungen geht, ist offen. Und ferner ist leider ungeklärt, was für die Gebrauchsbeschlüsse gilt. Diese Frage ist allerdings wichtig, da es hier u a. um die Hausordnung geht, die in aller Regel nur beschlossen ist. Der Verwalter sollte insoweit wissen, dass ein Mieter nach h. M. den Gebrauchsbeschlüssen der Wohnungseigentümer unterworfen ist – auch dann, wenn der Mietvertrag hierzu schweigt.
Im Fall geht es um den Gebrauch des Sondereigentums. Der Mieter ist danach jedenfalls einer verdinglichten Vereinbarung unterworfen, also einer Vereinbarung, die die Wohnungseigentümer zum Inhalt des Sondereigentums gemacht haben. Eine solche Vereinbarung liegt vor ("Laden mit Lager"). Der Gebrauch, den der Verein ausübt, widerspricht damit Vereinbarungen der Wohnungseigentümer. Der Verein ist an diese auch gebunden. Was in seinem Mietvertrag steht, ist im Verhältnis zu den Wohnungseigentümern unerheblich.
Damit ist der Fall aber noch nicht beendet. Wie ich u. a. bereits bei der Besprechung von BGH, Urteil v. 25.10.2019, V ZR 271/18 ganz bewusst ausgeführt habe, ist dann, wenn ein Verhalten gegen eine Gebrauchsvereinbarung oder einen Gebrauchsbeschluss verstößt, nach h. M. eine "typisierende Betrachtungsweise" anzustellen. Nach dieser ist zu fragen, ob der tatsächliche, eigentlich verbotene Gebrauch dennoch als erlaubt zu behandeln ist. So liegt es, wenn der tatsächliche Gebrauch nicht mehr stört, als der vereinbarte. Hier kommt der "Clou" des Falles. Denn der BGH ist der Ansicht, dass insoweit § 22 Abs. 1a BImSchG zu beachten sei. Danach sind Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen E...