1 Leitsatz

In einem Verfahren über ein Rechtsmittel, das in einem wohnungseigentumsrechtlichen Übergangsfall nach dem 30.11.2020 eingelegt worden ist und einen auf das gemeinschaftliche Eigentum bezogenen Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruch betrifft, bestimmt sich der Streitwert gem. § 71 Abs. 1 Satz 2 GKG nicht mehr nach § 49a GKG a. F., sondern nach den ZPO-Wertvorschriften.

2 Normenkette

§§ 47 Abs. 2, 49, 71 Abs. 1 Satz GKG; § 49a GKG a. F.

3 Das Problem

Wohnungseigentümer K geht gegen Wohnungseigentümer B bereits vor dem 1.12.2020 auf Unterlassung vor (hier: Wohnen in den Räumen eines Teileigentums). Zu fragen ist, ob bei einem Rechtsmittel (hier: Nichtzulassungsbeschwerde) § 49a GKG a. F. anwendbar ist.

4 Die Entscheidung

Der BGH verneint diese Frage! Der Gebührenstreitwert bestimme sich gem. § 71 Abs. 1 Satz 2 GKG nicht nach § 49a GKG a. F., sondern nach den Wertvorschriften der Zivilprozessordnung. Zwar bleibe in Anfechtungsklagen vorübergehend § 49a GKG a. F. anwendbar. Dies beruhe darauf, dass die Anwendung von § 49 GKG Wertungswidersprüche hervorrufen würde (Hinweis auf BGH, Beschluss v. 30.9.2021, V ZR 258/20, Rn. 19). Die in § 49 GKG enthaltenen kostenrechtlichen Besonderheiten beschränkten sich jedoch auf Beschlussklagen. In wohnungseigentumsrechtlichen Verfahren anderer Art seien daher gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG die Wertvorschriften der Zivilprozessordnung heranzuziehen und es gelte die allgemeine Übergangsvorschrift des § 71 Abs. 1 GKG.

Das danach maßgebliche Interesse von Wohnungseigentümer B an der Abwehr der Klage richte sich gem. § 3 ZPO nach den mit der Unterlassung der Wohnnutzung verbundenen Nachteilen (Hinweis auf BGH, Beschluss v. 19.1.2017, V ZR 100/16, Rn. 7 ff. und BGH, Beschluss v. 19.11.2020, V ZR 48/20, Rn. 6). Diese Nachteile seien aufgrund der Angaben in der Beschwerdebegründung auf 40.000 EUR zu schätzen. Gem. § 47 Abs. 2 GKG werde der Streitwert allerdings durch den Wert des Streitgegenstands des 1. Rechtszugs begrenzt. Insoweit bleibe § 49a GKG a. F. maßgeblich (§ 71 Abs. 1 Satz 1 GKG). Das AG habe den Streitwert anhand des (einfachen) Interesses des K mit 4.000 EUR bemessen. Richtigerweise seien aber 20.000 EUR anzusetzen, weil das 5-fache Klägerinteresse unter dem hälftigen Gesamtinteresse liege (§ 49a Abs. 1 Satz 2 GKG a. F.). Dieser Wert sei daher im Ergebnis festzusetzen.

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall geht es um die Frage, welche GKG-Bestimmung in einem Altverfahren anwendbar ist, bei dem das Rechtsmittel nach dem 30.11.2020 eingelegt wird. Von der Antwort ist abhängig, wie man den Gebührenstreitwert ermittelt.

Die Übergangsbestimmungen

In Rechtsstreitigkeiten, die vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung anhängig geworden sind, werden nach § 71 Abs. 1 Satz 1 GKG die Kosten nach bisherigem Recht erhoben. In einem Verfahren über ein Rechtsmittel, das nach dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung eingelegt worden ist, gilt dies nach § 71 Abs. 1 Satz 2 GKG aber nicht. Deshalb müssten für alle Rechtsmittelverfahren in WEG-Streitigkeiten für die Bestimmung des Gebührenstreitwerts mittlerweile entweder § 49 GKG oder § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i. V. m. §§ 3, 6 bis 9 ZPO anwendbar sein. Dies sieht der BGH bei Beschlussklagen anders (BGH, Beschluss v. 30.9.2021, V ZR 258/20). Er will hier § 48 Abs. 5 WEG entsprechend anwenden, obwohl sich dieser nur "zum dritten Teil" des WEG äußert und zum GKG keine Aussage trifft (siehe nur Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, 1. Aufl., Kap. 14 Rz. 217).

Andere WEG-Streitigkeiten

Es war bislang nicht klar, ob der BGH die Rechtslage für alle WEG-Streitigkeiten so sieht und in sämtlichen Altverfahren also trotz § 71 Abs. 1 Satz 2 GKG nicht § 48 Abs. 1 Satz GKG i. V. m. § 3, 6 bis 9 ZPO, sondern § 49a GKG anwenden wird. Es war nach seiner Argumentation zu erwarten, dass es nicht so sein wird und § 49a GKG (dazu etwa Toussaint/Elzer, GKG, 50. Aufl., § 49a) nur für Beschlussklagen noch eine Zeitlang Bedeutung hat. Und so ist es jetzt gekommen.

Änderung des Streitwerts für die Vorinstanzen

Zu einer Änderung des Streitwerts für die Vorinstanzen war der BGH nicht befugt, weil die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht zu dem Anfall der "Hauptsache" führt (BGH, Beschluss v. 12.3.2020, V ZR 160/19, Rn. 5).

6 Entscheidung

BGH, Beschluss v. 9.12.2021, V ZR 112/21

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