1 Leitsatz

Der Gebührenstreitwert für den Antrag, einen Wohnungseigentümer auf künftige Zahlung der Vorschüsse bis zum Beschluss über andere Vorschüsse zu verurteilen, bemisst sich nicht nach dem 3,5-fachen Jahresbetrag der aktuell geschuldeten Vorschüsse. Maximal ist vielmehr ein Jahresbetrag anzusetzen.

2 Normenkette

§ 49 GKG; §§ 3, 9 ZPO

3 Das Problem

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer beantragt in einem Urkundenprozess gegen Wohnungseigentümer B neben der Zahlung fälliger Vorschüsse, dass dieser künftig im Voraus monatliche Vorschüsse i. H. v. 1.298 EUR bis zu einem Beschluss über andere Vorschüsse zahlt. Fraglich ist, wie der Gebührenstreitwert zu berechnen ist.

4 Die Entscheidung

Das LG meint, die Wertfestsetzung richte sich nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i. V. m. § 3 ZPO. Bei Vorschüssen, die als monatliche Zahlung geschuldet seien, handele es sich um wiederkehrende Leistungen gem. § 258 ZPO. Gelte der Beschluss nach § 28 Abs. 1 Satz 1 WEG fort, seien auch die Forderungen zu berücksichtigen, die über das laufende Kalenderjahr hinausgingen. Dies führe aber nicht dazu, § 9 ZPO anzuwenden. Voraussetzung hierfür wäre nämlich, dass das in Rede stehende Recht seiner Natur nach voraussichtlich noch für eine Dauer von wenigstens 3,5 Jahren bestehe oder erfahrungsgemäß mindestens noch so lange bestehen könnte. Dies sei bei Vorschüssen nicht der Fall. Der Gebührenstreitwert sei daher nach § 3 ZPO zu schätzen. Die Annahme des AG, ein Zeitraum von 1 Jahr sei sachgerecht, halte sich im Rahmen des weiten Ermessens und sei nicht zu beanstanden. Üblicherweise fänden Versammlungen jährlich statt.

5 Hinweis

Problemüberblick

In dem Fall geht es um die Frage, ob sich der Gebührenstreitwert für eine Klage auf Zahlung künftiger Vorschüsse (§ 258 ZPO) gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i. V. m. § 9 ZPO nach dem 3,5-fachen Jahresbetrag richtet, wenn es eine Fortgeltungsklausel gibt. Das wird gegen LG Karlsruhe, Beschluss v. 8.7.2022, 11 T 42/22, mit Anmerkung Elzer, ZMR 2022, S. 922 verneint. Zu Recht! Denn § 9 ZPO bezieht sich erstens nur auf Fallgestaltungen, bei denen ein Recht, das "Stammrecht", sich darin ausdrückt, Ansprüche auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen zu gewähren (BGH v. 6.10.2011, V ZB 72/11, Rn. 10). Und nach h. M. geht es zweitens nur um solche Stammrechte, bei denen Nutzungen oder Leistungen zu erwarten sind, die ihrer Natur nach und erfahrungsgemäß (= üblicherweise) eine Dauer von wenigstens 3,5 Jahren haben oder jedenfalls mit Rücksicht auf den Grad der Unbestimmtheit des Zeitpunktes, wann das den Wegfall des Rechts begründende Ereignis eintritt, eine solche Dauer haben können. Das LG Frankfurt a. M. sieht, dass eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ihren Anspruch auf Vorschuss aus § 28 Abs. 1 Satz 1 WEG gegen einen Wohnungseigentümer erfahrungsgemäß, wenn auch nicht zwingend, jährlich neu begründen wird. Eine Fortgeltungsklausel ändert an diesem bundesweiten Erfahrungssatz nichts. Der Gebührenstreitwert ist mithin nach § 3 ZPO zu ermitteln.

Was ist für die Verwaltung besonders wichtig?

Der Fall zeigt, dass man erstens gegen einen Wohnungseigentümer im Urkundenprozess vorgehen kann und zweitens, auf künftige Vorschüsse klagen kann. Beide Wege müssen den Verwaltungen bekannt sein!

6 Entscheidung

LG Frankfurt a. M., Beschluss v. 10.5.2023, 2-13 T 25/23

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