1 Leitsätze
Klagt eine verwalterlose Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Hausgeldansprüche ein, wird sie von den Wohnungseigentümern vertreten, die der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nicht als Partei im Prozess gegenüberstehen.
Für die Wirksamkeit der Klageerhebung kommt es nicht darauf an, ob ein Beschluss der Wohnungseigentümer vorliegt. Denn die Vertretungsmacht des Verwalters im Außenverhältnis ist von der Berechtigung im Innenverhältnis unabhängig.
2 Normenkette
§ 9b Abs. 1 Satz 2 WEG
3 Das Problem
Es handelt sich um eine Zweiergemeinschaft. Einen Verwalter gibt es nicht. Wohnungseigentümer K beschließt auf einer Versammlung, zu der Wohnungseigentümer B nicht erscheint, für eine Reparatur des Daches Vorschüsse auf eine Sonderumlage i. H. v. 100.000 EUR. K klagt gegen B auf Zahlung des auf diesen entfallenden Betrags i. H. v. 49.970 EUR auf das Konto der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Das AG meint, K sei nicht berechtigt, die Forderung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einzuklagen. Hiergegen richtet sich die Berufung des K. Nach Hinweis des LG stellt K die Klage auf die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer um. Fraglich ist, was jetzt gilt.
4 Die Entscheidung
Die Klage hat nach dem zulässigen Parteiwechsel – auf den Widerspruch des B komme es nicht an – nach Ansicht des LG Erfolg! Denn die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sei prozessfähig. Zwar werde diese durch alle Wohnungseigentümer vertreten. Dies gelte aber nicht in verwalterlosen Gemeinschaften. In diesem Fall werde die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer durch die Wohnungseigentümer vertreten, die ihr nicht als Prozessgegner gegenüberstünden (Hinweis u. a. auf Elzer, MDR 2021, S. 188, 190 und auf a. A. Lehmann-Richter/Wobst, NJW 2021, S. 662). Eine andere Lösung sei nicht praktikabel und könne nicht friktionsfrei erklären, warum § 170 Abs. 3 ZPO anwendbar ist. Es bedürfe daher weder einer actio pro socio noch eines Notverwalters nach § 29 BGB. Die Erhebung der Klage habe auch nicht von den Wohnungseigentümern beschlossen werden müssen. Ein etwaiger Beschluss sei nämlich eine Frage des Innenverhältnisses und spiele für die Wirksamkeit von Erklärungen im Außenverhältnis keine Rolle. Zwar werde für reine Innengeschäfte diskutiert, dass die Bindungen im Innenverhältnis auf die Vertretungsmacht durchschlagen können (Hinweis auf Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rn. 216). Hierauf komme es im Fall aber nicht an. In der Sache sei der Anspruch im Übrigen begründet. Der entsprechende Beschluss sei nämlich gefasst worden und nach § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG bis zu seiner rechtskräftigen Ungültigerklärung wirksam. Nichtigkeitsgründe seien weder ersichtlich noch vorgetragen.
5 Hinweis
Die WEG-Reform hat für die Wohnungseigentümergemeinschaften, bei denen kein Verwalter bestellt ist, nichts Besonderes angeordnet. Es gibt mithin weder im Innen- noch im Außenverhältnis spezielle Regelungen. Das WEG bestimmt weder, wie die Geschäftsführung, etwa eine Beschlussdurchführung oder die Einberufung einer Versammlung, bei einer Gesamtvertretung funktionieren soll, noch zeigt es auf, wie man eine Gesamtvertretung nach außen organisiert. Es schweigt sich ferner dazu aus, ob die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, die nicht von allen Wohnungseigentümern vertreten werden kann, überhaupt prozessfähig ist.
Überblick: Verwalterlose Gemeinschaft
- Geschäftsführung: Wer für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Geschäfte in einer verwalterlosen Gemeinschaft führt, ist unklar. Blickt man auf die Aufstellung eines Wirtschaftsplans oder einer Jahresabrechnung, wird man dies kaum den Wohnungseigentümern abverlangen können und erlauben müssen, dass diese einen Dritten beauftragen. Was ist aber mit der Beschlussdurchführung oder der Einsichtnahme in die Verwaltungsunterlagen? Nur für die Versammlung kann § 24 Abs. 3 WEG, nämlich das Recht, beim Fehlen eines Verwalters die Versammlung durch den Verwaltungsbeirat oder einen dazu ermächtigten Wohnungseigentümer einzuberufen, etwas helfen.
- Vertretung: Die Vertretung bestimmt sich nach § 9b Abs. 1 Satz 2 WEG. Es handelt sich um eine Gesamtvertretung. Daher ist fraglich, was gilt, wenn einer der Gesamtvertreter verhindert ist. Die Wohnungseigentümer haben keine Beschlusskompetenz, einen Wohnungseigentümer zur Alleinvertretung zu ermächtigen. Allerdings kann jeder Wohnungseigentümer sich individuell erklären.
- Im Fall ist es noch relativ einfach: es gibt nur 2 Wohnungseigentümer! Dann liegt es nahe, dass der eine Wohnungseigentümer die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegenüber dem anderen Wohnungseigentümer vertreten kann und dafür im Innenverhältnis keines Beschlusses bedarf. Was soll aber in einer zerstrittenen Gemeinschaft mit beispielsweise 20 Wohnungseigentümern gelten, die partout keinen Verwalter wollen oder diesen jedenfalls nicht bezahlen wollen? Das LG schafft insoweit erste Klarheiten – ist aber natürlich nur eine erste Stimme im "Chor". Sie überzeugt allerdings, da sie von einer von mir so genannten "kupierten Gesamtvertretung" ausgeht. Offen bleiben allerdings, wie angeführt, ...