1 Leitsatz

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist nach § 9a Abs. 2 WEG nicht berechtigt, Schadensersatzansprüche der Wohnungseigentümer gegen den Verwalter zu verfolgen. Ein Beschluss, der vor dem 1.12.2020 dazu gefasst wurde, ist unwirksam geworden.

2 Normenkette

§ 9a Abs. 2, 43, 44, 48 Abs. 5 WEG

3 Das Problem

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer K meint, gegen den ehemaligen Verwalter B einen Anspruch auf Schadensersatz zu haben. K meint, B schulde ihr die Erstattung der Kosten einer erfolgreichen Anfechtungsklage (B hatte nicht genügend Angebote eingeholt). Im September 2020 fassen die Wohnungseigentümer folgenden Beschluss:

"Es wird beschlossen, gegen B wegen eines verlorenen Rechtsstreits im Hinblick auf die Beschlussfassung vom 6.9.2018 zu TOP 7 a, Aktenzeichen 95b C 98/18 AG Wuppertal, Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Die der Gemeinschaft entstandenen Anwalts- und Gerichtskosten sollen außergerichtlich, und falls nicht gezahlt wird, gerichtlich geltend gemacht werden. Mit der Wahrnehmung der Interessen der Gemeinschaft werden die Rechtsanwälte C beauftragt."

K erhebt Ende des Jahres 2020 Klage. Sie ist der Auffassung, sie sei durch den Beschluss vom September berechtigt, Schadensersatzansprüche der Wohnungseigentümer gegen B geltend zu machen. Der Beschluss sei nach altem Recht wirksam gewesen. Die Wirksamkeit wirke fort. B meint, der Beschluss aus dem September sei mit Ablauf des 30.11.2020 unwirksam geworden.

4 Die Entscheidung

Die Klage hat keinen Erfolg! K sei nicht die Rechtsinhaberin. Beklagte und Kostenschuldner der Prozesskosten aus dem Vorprozess seien die Wohnungseigentümer gewesen. Somit habe der Schaden aus dem verlorenen Prozess bei ihnen gelegen. Etwaige Schadensersatzansprüche gegen B seien damit Individualansprüche der einzelnen Wohnungseigentümer. Diese Ansprüche seien weder auf K übergegangen noch sei diese anderweitig befugt, diese geltend zu machen.

Eine gesetzliche Ausübungsbefugnis nach § 9a Abs. 2 WEG liege nicht vor. Die individuellen Schadensersatzansprüche der Wohnungseigentümer ergäben sich nicht aus dem gemeinschaftlichen Eigentum. Sie erforderten auch keine einheitliche Rechtsverfolgung, weil eine gemeinsame Empfangszuständigkeit der geschädigten Wohnungseigentümer nicht gegeben sei. Es handele sich um individuelle Ansprüche, die jeder Wohnungseigentümer im Hinblick auf den ihm entstandenen Schaden allein und ohne Mitwirkung der anderen Wohnungseigentümer geltend machen könne (Hinweis auf BGH, Urteil v. 8.2.2019, V ZR 153/18, Rn. 12).

Eine Ausübungsbefugnis lasse sich auch nicht aus dem September-Beschluss ableiten. Dieser Beschluss bilde keine Rechtsgrundlage für eine Klageerhebung erst nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung (Hinweis auf Hügel/Elzer, 3. Aufl., § 9a Rn. 114). Die Übergangsvorschriften in § 48 WEG enthielten keine Regelung zur weiteren Anwendung des § 10 Abs. 6 WEG a. F. Für eine analoge Anwendung fehle es an einer unbewussten Regelungslücke. Es ergebe sich schon aus den Gesetzesmaterialien, dass im Gesetzgebungsverfahren thematisiert wurde, dass Beschlüsse, die auf Grundlage des § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 WEG a. F. gefasst worden waren, durch die Reform nach allgemeinen Grundsätzen für die Zukunft ihre Wirkung verlieren würden.

5 Hinweis

Problemüberblick

Der kleine Fall fragt, was für Beschlüsse nach § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG a. F. gilt: Gelten diese weiter oder sind sie am 1.12.2020 unwirksam geworden? Ferner wird § 9a Abs. 2 WEG betrachtet und abgelehnt, dass ein Schaden der Wohnungseigentümer ein Schaden sei, den die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verfolgen könne.

Alte Beschlusskompetenzen

Wenn die Wohnungseigentümer Beschlüsse auf der Grundlage von Beschlusskompetenzen gefasst haben, die ihnen das bis zum 30.11.2020 geltende WEG eingeräumt hatte, die aber nicht mehr bestehen, können Maßnahmen darauf nach h. M. nicht mehr gestützt werden (Falkner, ZWE 2021, S. 149, 155). Auf Beschlüsse, mit denen die Wohnungseigentümer Rechte und/oder Pflichten vergemeinschaftet und der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zur Ausführung/Ausübung nach § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 a. F. zugewiesen haben, können mithin keine weiteren Maßnahmen gestützt werden (BR-Drs. 168/20, 49; zweifelnd Häublein, ZWE 2020, S. 401, 408; a. A. Bruns, AnwZert MietR 13/2020 Anm. 2).

6 Entscheidung

AG Wuppertal, Urteil v. 3.12.2021, 95b C 122/20

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