1 Leitsatz

Eine von einem Bauträger in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Erwerbsvertrags verwendete Klausel ist unwirksam, wenn die Abnahme durch einen Sachverständigen ermöglicht wird, der durch den Bauträger selbst oder eine in seinem Lager stehende Person benannt und beauftragt wird.

2 Normenkette

§§ 9a Abs. 2, 19 Abs. 1 WEG; § 307 Abs. 1 BGB

3 Das Problem

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer K verlangt vom Bauträger B die Zahlung eines Kostenvorschusses für die Beseitigung von Mängeln. B hat die Wohnungseigentumsanlage in den Jahren 2003 bis 2005 errichtet. In den Jahren 2012 bis 2015 kam es wiederholt zu Wasserschäden am gemeinschaftlichen Eigentum. B ist der Ansicht, für die Mängel wegen Eintritts der Verjährung nicht mehr einstehen zu müssen. Seine Werkleistung sei bereits im Jahr 2009 durch einen Sachverständigen für die Erwerber aufgrund einer Vollmacht abgenommen worden. Dies sieht das LG anders. Die entsprechende Klausel in den Bauträgerverträgen sei nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Zum einen sei der Sachverständige nicht "neutral" gewesen, da er durch einen Treuhänder benannt worden sei, der seinerseits vom Bauträger benannt wurde. Zum anderen habe die Klausel nicht ausreichend erkennen lassen, dass die Erwerber berechtigt waren, die Vollmacht zu widerrufen. Gegen diese Betrachtung wendet sich die Berufung.

4 Die Entscheidung

Ohne Erfolg! Auch nach Ansicht des OLG ist die Klausel unwirksam. Das Argument, es sei mit den Berufspflichten des in den Vertrag eingebundenen Treuhänders unvereinbar gewesen, wenn dieser und B unter Missachtung der Interessen der Erwerber zusammenwirken würden, führe nicht dazu, das Vertragsmodell anders zu bewerten. Die gerichtliche Praxis zeige, dass es in einer Vielzahl von Fällen zu einer Kollision von Interessen komme, die oftmals mit einer Verletzung von Berufspflichten der Beteiligten einhergingen.

Hinweis

  1. Es ist nach §§ 640, 641 BGB Sache der einzelnen Erwerber, eine vom Bauträger geschuldete Leistung entgegenzunehmen und über ihre Ordnungsgemäßheit zu entscheiden. Das gilt auch für das gemeinschaftliche Eigentum. Jedenfalls Bauträger haben jedoch ein Interesse daran, dass das gemeinschaftliche Eigentum zeitgleich und einheitlich durch eine Person rechtlich abgenommen wird. Viele Bauträgerverträge sehen daher – wie hier – die Abnahme durch den Verwalter vor. Die Gerichte halten das für unwirksam. Beanstandet wird insbesondere Folgendes:

    • Verdrängungseffekt: Unwirksam sind Klauseln, die dem Erwerber faktisch jede Möglichkeit nehmen, eine Abnahme durch den Bevollmächtigten zu verhindern – insbesondere durch unwiderrufliche Vollmachten oder einen (scheinbaren) Ausschluss des originären Rechts, selbst die Abnahme zu erklären.
    • Mangelnde Neutralität: Der Erwerber wird unangemessen benachteiligt, wenn der Abnehmende nicht unabhängig und neutral ist, sondern "aus dem Lager" des Bauträgers kommt.
  2. Die Antwort auf die Frage, welche Personen berechtigt/verpflichtet sind, wesentliche Gebäudebestandteile, die nach Errichtung des Gebäudes oder Umwandlung eines bestehenden Gebäudes im gemeinschaftlichen Eigentum der Wohnungseigentümer als Miteigentümer stehen, als im Wesentlichen mangelfrei abzunehmen, ist immer noch nicht endgültig beantwortet. Der Praxis ist zu raten, dass der Wohnungseigentümer als Erwerber sich individuell erklärt oder durch einen Vertreter, den er individuell bestimmt oder durch einen neutralen Vertreter, für den klar ist, dass der Erwerber jederzeit berechtigt ist, dessen Vollmacht zu widerrufen, vertreten lässt (näher Karczewski, Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums – Ein Problem des Bauträgers, NJW 2021, S. 528, Eufinger/Jahn, Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums und typische Fehler, NZBau 2020, S. 417 und Elzer, Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums: Was gilt vor dem Hintergrund der neuesten BGH-Rechtsprechung für Bestimmungen in Bauträgervertrag und/oder Gemeinschaftsordnung, DNotZ 2017, S. 163). Diese Anforderungen waren nach den LG-Feststellungen im Fall jeweils nicht erfüllt.
  3. Für den Verwalter wichtiger ist die Antwort auf die Frage, in welcher Weise er berechtigt/verpflichtet ist, in die Abnahme einzugreifen, und ob sich durch die WEG-Reform bei der Durchsetzung der Mängelrechte der Wohnungseigentümer als Erwerber gegen den Bauträger etwas geändert hat. Hierauf derzeit eine rechtssichere Antwort zu geben, ist schwierig (siehe auch Vogel, Auswirkungen des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes (WEMoG) auf die Verfolgung von Mängelansprüchen gegen den Bauträger, ZMR 2021, S. 181). Klar ist, dass im aktuellen Recht die in § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG a. F. immanente Möglichkeit, der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer durch einen Beschluss Rechte der Wohnungseigentümer in Bezug auf das gemeinschaftliche Eigentum zur Ausübung zu übertragen, entfallen ist.

    Eine "Vergemeinschaftung", wie sie bislang beim Störungsbeseitigungsanspruch und bei der Durchsetzung der Mängelrechte der Wohnungseigentümer als Erwerber vom Bauträger sehr üblich war, ist Rechtsgeschichte. Dennoch könnte sich im Bereich des Bauträgerrech...

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