1 Leitsätze
(1) Von dem teilenden Eigentümer vorgegebene Bestimmungen in der Gemeinschaftsordnung, die in einem spezifischen Zusammenhang mit der einseitigen Aufteilung stehen, unterliegen einer Inhaltskontrolle im Hinblick auf einen Missbrauch der einseitigen Gestaltungsmacht; diese Inhaltskontrolle richtet sich unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls am Maßstab von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB aus.
(2) Enthält die Gemeinschaftsordnung für die Versammlung folgende Regelung: "Für die Ordnungsmäßigkeit der Einberufung genügt die Absendung an die Anschrift, die dem Verwalter von dem Wohnungseigentümer zuletzt mitgeteilt worden ist.", so setzt die Ordnungsmäßigkeit der Einberufung nicht den Zugang, sondern lediglich die rechtzeitige Absendung der Ladung an die Wohnungseigentümer voraus; dies bezieht sich auf alle Wohnungseigentümer und nicht nur auf diejenigen, die einen Wohnsitzwechsel nicht mitgeteilt haben. Eine solche Regelung ist wirksam.
2 Normenkette
§§ 10, 24, 26 WEG
3 Das Problem
Wohnungseigentümer K geht gegen einen Beschluss vor, mit dem der Verwalter wiederbestellt worden ist. K moniert, nicht zur Versammlung geladen worden zu sein. AG und LG sehen in der behaupteten Nichtladung einen relevanten Beschlussmangel. Die Beweislast für den rechtzeitigen Zugang trügen die Beklagten. Da diese lediglich Beweis für die rechtzeitige Absendung der Einladung angetreten hätten, sei der Beweis nicht geführt. Aus der Gemeinschaftsordnung ergebe sich nichts anders. Zwar heiße es dort wie folgt: "Für die Ordnungsmäßigkeit der Einberufung genügt die Absendung an die Anschrift, die dem Verwalter von dem Wohnungseigentümer zuletzt mitgeteilt worden ist." Diese Klausel regele aber nur bei einem Adresswechsel eine Zugangsfiktion.
4 Die Entscheidung
Dies sieht der BGH anders! Nach der Klausel sei die rechtzeitige Absendung einer Ladung für die Ordnungsmäßigkeit einer Einberufung ausreichend. Die Klausel sei so auszulegen, dass sie sich auf alle Wohnungseigentümer bezieht und nicht nur auf diejenigen, die einen Wohnsitzwechsel nicht mitgeteilt hatten. Die Klausel sei auch wirksam. Prüfungsmaßstab sei § 242 BGB und nicht die entsprechende Anwendung der §§ 307 ff. BGB. Denn wegen der unionsrechtlichen Vorgaben aus der Klausel-Richtlinie könne die Heranziehung des AGB-Rechts nur ganz ausnahmsweise geboten sein. Dies sei dann der Fall, wenn die Gemeinschaftsordnung vorschreibe, dass die Wohnungseigentümer als Verbraucher bestimmte Verträge mit Dritten abschließen müssten. Richtig sei allerdings, dass der teilende Eigentümer Regelungen in der Gemeinschaftsordnung vorgeben könne, die ihn – ähnlich wie einen Verwender unangemessener AGB – insbesondere in der Aufteilungsphase einseitig begünstigten. Aus diesem Grund unterlägen von ihm vorgegebene Bestimmungen in der Gemeinschaftsordnung, die in einem spezifischen Zusammenhang mit der einseitigen Aufteilung stünden, einer Inhaltskontrolle. Diese habe sich unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls am Maßstab von Treu und Glauben gem. § 242 BGB auszurichten. Nach diesem Maßstab sei die Klausel wirksam. Ein spezifischer Zusammenhang mit einer einseitigen Aufteilung sei nicht erkennbar. Die Klausel greife auch nicht in schwerwiegender Weise in das Teilnahme- und Mitwirkungsrecht als unverzichtbares Mitgliedschaftsrecht ein und verstoße damit nicht i. S. v. § 134 BGB gegen ein gesetzliches Verbot.
Hinweis
- Das Gesetz sieht vor, dass die Einberufung in Textform ausgesprochen werden muss, wobei die Frist, sofern nicht ein Fall besonderer Dringlichkeit vorliegt, gem. § 24 Abs. 4 Satz 2 WEG mindestens 3 Wochen betragen soll. Da nach der BGH-Rechtsprechung § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB entsprechend anzuwenden ist, ist für die fristwahrende Ladung nicht die Absendung, sondern der Zugang bei den jeweiligen Wohnungseigentümern maßgeblich. Ist die Ladung einzelnen Wohnungseigentümern infolge eines Postversehens nicht zugegangen, kann die Anfechtung hierauf allerdings nur dann gestützt werden, wenn sich dies auf das Abstimmungsergebnis ausgewirkt haben kann. Teilt ein Eigentümer seine Anschrift nicht oder nicht rechtzeitig mit, führt diese Obliegenheitsverletzung dazu, dass die Anfechtung von vornherein nicht auf die fehlende Ladung gestützt werden kann.
- Von dieser Rechtslage abweichende Vereinbarungen in der Gemeinschaftsordnung sind weit verbreitet und nach einhelliger Auffassung im Grundsatz zulässig (siehe etwa Deckert/Elzer, Arbeitshilfen, 2019, S. 25). Die im Fall verwendete Formulierung wurde bislang unterschiedlich ausgelegt. Die weit überwiegende Ansicht entnimmt ihr, dass allgemein der Nachweis der rechtzeitigen Absendung für die Ordnungsmäßigkeit der Einberufung ausreichend ist und hält dies auch für wirksam. Eine Gegenauffassung legt die Klausel einschränkend aus und misst ihr nur im Fall einer nicht angezeigten Adressänderung Bedeutung bei. Der Senat hält die h. M. für zutreffend. Bei unbefangener Betrachtung des Wortlauts enthalte die Klausel (nur) 2 Voraussetzungen für eine ordnungsmäßige Einberufung. Es genüge (1....