Baumaßnahmen im Grenzbereich zu Ihrem Grundstück oder im Grenzbereich zu einer von Ihnen benötigten Zufahrt (durch Grunddienstbarkeit gesichert oder als Sondernutzungsfläche einer Wohnungseigentumsanlage ausgewiesen) sollten Sie besonders sorgfältig im Auge haben. In solchen Fällen ist es immer möglich, dass eine Grenzverletzung vorkommt. Wenn Sie nicht sofort vor oder nach der Grenzverletzung Widerspruch erheben, können Sie erhebliche Rechtsnachteile erfahren. Deshalb heißt es aufzupassen!

Widerspruchsberechtigt ist in erster Linie der Nachbareigentümer. Wenn in dessen Abwesenheit Mieter oder Pächter Widerspruch erheben, wird man im Allgemeinen davon ausgehen können, dass sie in Wahrnehmung der Interessen des Nachbareigentümers tätig werden.

Das Gesetz verlangt für den Widerspruch, der dem Überbauenden oder dem für diesen verantwortlich handelnden Architekten zu erklären ist, weder eine bestimmte Form noch eine Begründung. Weil das Gesetz keine Begründung verlangt, ist auch eine falsche oder nicht stichhaltige Begründung eines erklärten Widerspruchs unschädlich.[1]

Form

Versäumen Sie nicht, bei einem drohenden Grenzüberbau Widerspruch zu erheben und zwar aus Beweisgründen in schriftlicher Form. Und denken Sie daran: Nur sich regen bringt Segen! Denn wenn Sie den Widerspruch unterlassen, tritt die Duldungspflicht nach § 912 Abs. 1 BGB von selbst und unwiderruflich ein, ohne Rücksicht darauf, aus welchem Grund Sie zu widersprechen verabsäumt haben. Es macht dabei keinen Unterschied, ob Sie an dem Unterlassen des Widerspruchs ein Verschulden trifft oder nicht. Selbst wenn Ihnen der wahre Verlauf der Grundstücksgrenze in nicht vorwerfbarer Weise bisher nicht bekannt war und Sie daher die Grenzüberschreitung nicht erkennen konnten oder wenn Sie durch Abwesenheit am rechtzeitigen Widerspruch gehindert waren, müssen Sie die Folgen Ihres Untätigbleibens hinnehmen. Da Ihr Schweigen durch Unterlassen des Widerspruchs im juristischen Sinne keine Willenserklärung ist, können Sie den unterlassenen Widerspruch auch nicht wegen Irrtums, Betruges oder Zwangs anfechten. Nach der Rechtsprechung werden die Rechtsfolgen an das Schweigen nicht deshalb geknüpft, weil darin eine vermutete Genehmigung läge, sondern weil es die bloße Nichtausübung Ihrer Widerspruchsbefugnis darstellt.[2]

Frist

§ 912 Abs. 1 BGB verlangt, dass der Widerspruch vor oder sofort nach der Grenzüberschreitung erhoben wird, ohne zu präzisieren, wie die Worte "sofort nach der Grenzüberschreitung" in zeitlicher Hinsicht zu verstehen sind. Nach der Rechtsprechung besagt "sofort" etwas anderes als "unverzüglich" (d.h. ohne schuldhaftes Zögern) im Sinne des § 121 BGB. Die Frage der Rechtzeitigkeit des Widerspruchs beantwortet sich vielmehr nach dem Zweckgedanken der Überbauvorschriften: Ohne Not sollen keine wirtschaftlichen Werte zerschlagen werden. Ausschlaggebend ist daher, ob nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls noch zeitig genug widersprochen wurde, um eine sonst bei Beseitigung des Überbaus zu befürchtende erhebliche Zerstörung wirtschaftlicher Werte zu vermeiden.[3] Die Beweislast trägt der Widerspruchsberechtigte.[4]

 
Achtung

Wenn der Rohbau steht, kommt der Widerspruch zu spät

Erheben Sie den Widerspruch erst zu einem Zeitpunkt, in dem das über die Grundstücksgrenze gebaute Gebäude bereits im Rohbau fertig ist, kommt Ihr Widerspruch zu spät.[5]

[1] Vgl. hierzu BGH, Urteil v. 14.7.1972, V ZR 147/70, NJW 1972, 1750.
[2] So BGH, Urteil v. 14.7.1972, V ZR 147/70, NJW 1972, 1750; BGH, Urteil v. 2.6.1989, V ZR 167/88, NJW-RR 1989, 1039.
[3] So BGH, Urteil v. 14.7.1972, V ZR 147/70, NJW 1972, 1750.
[4] Grüneberg/Herrler, BGB, 81. Aufl. 2022, § 912, Rn. 10.
[5] So OLG Karlsruhe, Urteil v. 9.9.1992, 6 U 45/92, NJW-RR 1993, 665.

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