2.1 Tatbestandsmerkmale

2.1.1 Besondere Grenzlage und bautechnische Funktion

Unter einer Nachbarwand oder Kommunmauer versteht man die auf der Grenze zweier benachbarter Grundstücke errichtete Wand aus gemauerten Ziegeln, gegossenem Beton oder etwa in Stahlbauweise, die den auf beiden Grundstücken stehenden oder noch zu errichtenden Bauwerken als Abschlusswand oder zur Unterstützung oder Aussteifung (also zu baustatischen Zwecken) dient oder dienen soll. Die Nachbarwand muss also zum einen eine bestimmte bautechnische Funktion für aneinander grenzende Bauwerke auf benachbarten Grundstücken erfüllen und zum anderen mit einem Teil ihrer Dicke auf jedem der beiden Grundstücke stehen.

In der Regel wird die Nachbarwand zur Hälfte über die Grenze gebaut und in diesem Fall als halbscheidige Wand oder halbscheidige Giebelwand bezeichnet, wenn die Dachtraufe zur Straßenfront hin ausgerichtet ist. Wie eine halbscheidige Giebelwand beschaffen ist, können Sie der folgenden Skizze entnehmen.

Beispiel einer Nachbarwand (Kommunmauer)

Keine Nachbarwand

  • Keine Nachbarwand ist wegen des Fehlens der besonderen Grenzlage die unmittelbar an der Grenze auf dem eigenen Grundstück stehende Abschlusswand (sog. Grenzwand).
  • Keine Nachbarwand, sondern Überbau, ist auch die in ihrer ganzen Dicke auf dem benachbarten fremden Grundstück errichtete Gebäudewand.
  • Keine Nachbarwände im Sinne des Nachbarrechts sind schließlich die Haustrennwände bei Doppel- und Reihenhausbebauung in Wohneigentum, weil hier die Häuser nicht auf jeweils eigens herausvermessenen Grundstücken, sondern auf dem Gemeinschaftsgrundstück stehen.

2.1.2 Das Zustimmungserfordernis

Weil die Nachbarwand zum Teil auf fremdem Grund und Boden steht, ist die Zustimmung des Eigentümers des Nachbargrundstücks Voraussetzung dafür, dass die Nachbarwand legal errichtet wird; gehört das Nachbargrundstück mehreren Personen, müssen alle zustimmen. Wird eine Nachbarwand ohne Zustimmung des Nachbarn auf die Grundstücksgrenze gesetzt, handelt es sich um einen Grenzüberbau, mit den in den §§ 912 ff. BGB geregelten Rechtsfolgen.

 
Hinweis

Schriftform

Aus Gründen der Rechtssicherheit ist für die Zustimmung des Nachbarn bzw. für die Vereinbarung beider Nachbarn über die Errichtung einer Kommunmauer grundsätzlich Schriftform zu empfehlen.

Gesetzlich vorgeschrieben ist dies nur in den Nachbarrechtsgesetzen von Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein. Nicht dagegen in Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, dem Saarland und Thüringen, in deren Nachbarrechtsgesetzen an die nachbarliche Zustimmung keine besonderen Formerfordernisse gestellt werden.

Haben die Nachbarn den Bau einer Kommunmauer mit der Zweckbestimmung vereinbart, dass sie der "überbaute" Nachbar bei der späteren Bebauung seines Grundstücks gleichfalls als Abschlusswand bzw. zur Unterstützung oder Aussteifung seines Gebäudes nutzen soll, dann kann eine auf diese Vereinbarung bezugnehmende Zustimmung des Nachbarn vor Baubeginn nicht einseitig widerrufen werden (§ 183 Satz 1 BGB). Eine solche Zustimmung verpflichtet aber nicht einen späteren Käufer des Nachbargrundstücks, dessen Einverständnis daher vor Baubeginn eingeholt werden muss.[1]

Grunddienstbarkeit

Dieses Ergebnis lässt sich dadurch vermeiden, dass die Gestattung der Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks durch die Nachbarwand dinglich durch Grunddienstbarkeit gesichert wird.

Nach Baubeginn kann die einmal erteilte Zustimmung weder vom "überbauten Nachbarn" noch von einem Käufer des Nachbargrundstücks mit der Folge widerrufen werden, dass die errichtete Wand ihre Eigenschaft als Nachbarwand verlieren würde. Dass die Wand (unter Umständen gegen Zahlung einer Überbaurente) vielmehr zu dulden ist, ergibt sich nach der Rechtsprechung aus § 912 BGB. Denn infolge der im Zeitpunkt des Mauerbaus vorliegenden Zustimmung fiel dem Erbauer bei der Grenzüberschreitung weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit zur Last.[2]

Die Nachbarrechtsgesetze der Bundesländer gehen davon aus, dass derjenige Nachbar, der die Wand errichtet, und derjenige Nachbar, der in den Bau der Wand einwilligt, personenverschieden sind, die beiden Nachbargrundstücke also verschiedenen Eigentümern gehören. Die Bestimmungen über die Nachbarwand sind aber analog anzuwenden, wenn der Eigentümer von zwei nebeneinander gelegenen Grundstücken auf der Grundstücksgrenze eine Wand errichtet, die die bauliche Funktion einer Nachbarwand hat, und die Grundstücke später in das Eigentum verschiedener Personen gelangen. Gleiches gilt, wenn ein einheitliches Grundstück mit einer Häuserreihe bebaut und später dergestalt geteilt und veräußert wird, dass die jeweiligen gemeinsamen Abschlusswände der einzelnen Reihenhäuser von der Grenze der neu gebildeten Grundstücke durchschnitten werden. Hier kann die Rechtsprechung zum sog. Eigengrenzüberbau herangezogen werden.[3] Angesichts der Eigentümeridentität bei Errichtung der Nachbarwand bedarf es in diesen Fällen keiner formalen Zustimmung.

[1] Vgl. BGH, Urteil v. 29.4.1977, V ZR 71/75, NJW 1977, 1447.
[2] So BGH, Urteil v. 21.1.1983, V ZR 154/81, NJW 1983, 1112.
[3] Vgl. BGH,...

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