Bis zum Anbau des zweiten Gebäudes steht die Nachbarwand nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen im Alleineigentum des die Grenze überbauenden Eigentümers.[1] Denn soweit das Recht des Eigentümers zur Duldung seines Überbaus durch den Nachbarn reicht, unterliegt die hinübergebaute Nachbarwand nicht der Grundregel der §§ 94 Abs. 1, 946 BGB (Einheit von Grundstück und darüber befindlichen Bauteilen), sondern es tritt entsprechend § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB die Wirkung ein, dass sie als Scheinbestandteil des überbauten Grundstücks gemäß §§ 93, 94 Abs. 2 BGB wesentlicher Bestandteil des Grundstücks bleibt, von dem aus überbaut wurde.[2]

Da der Erbauer der halbscheidigen Mauer deren Alleineigentümer ist, hat er allein nicht nur die Kosten ihrer Errichtung, sondern auch die ihrer Unterhaltung zu tragen.[3] Auch ist nur er allein zur Nutzung der Mauer, beispielsweise ihrer Außenfläche zu Werbezwecken, berechtigt.

Eine Überbaurente im Sinne des § 912 Abs. 2 BGB als Entschädigung für den Überbau kann der Nachbar, der dem Überbau zugestimmt oder ihn genehmigt hat, nur dann verlangen, wenn sie ihm vertraglich zugesagt worden ist. Ebenso wenig hat er mangels einer ausdrücklichen vertraglichen Regelung ein Recht auf Grundabnahme gemäß § 915 BGB.[4] Er hat aber ein Recht zum jederzeitigen Anbau, da er seine Zustimmung zum Überbau unter der Bedingung erteilt hat, anbauen zu dürfen.

Bis zum Anbau durch den Nachbarn hat der Erbauer der Nachbarwand, da er ihr Alleineigentümer ist, grundsätzlich auch das Recht, sie gegen Entschädigung des Nachbarn für die Inanspruchnahme seines Grundstücks (§ 812 BGB) ganz oder teilweise wieder zu beseitigen. Soweit die Landesnachbarrechtsgesetze Bestimmungen über die Beseitigung einer Nachbarwand vor dem Anbau enthalten, sind diese zu berücksichtigen.

[1] Vgl. BGH, Urteil v. 19.11.1971, V ZR 100/69, NJW 1972, 195; BGH, Urteil v. 22.2.1974, V ZR 103/73, NJW 1974, 794.
[3] Eine Beteiligung des Nachbarn an den Herstellungs- und Unterhaltungskosten entsteht erst mit dem Anbau. In diesem Sinne haben auch die Nachbarrechtsgesetze der Bundesländer die Pflicht zur Kostentragung geregelt.
[4] Vgl. auch BGH, Urteil v. 10.10.1969, V ZR 131/66, NJW 1970, 97.

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