Alexander C. Blankenstein
1.1 Grundsätze
Den öffentlichen Glauben des Grundbuchs regelt § 892 BGB. Er soll dem rechtsgeschäftlichen Erwerber die Sicherheit verleihen, dass das, was im Grundbuch steht, auch richtig ist. Insoweit kann nach der Fiktion des § 891 Abs. 1 BGB davon ausgegangen werden, dass demjenigen das Recht tatsächlich zusteht, zu dessen Gunsten es im Grundbuch eingetragen ist.
Nießbrauch
Zugunsten der Eltern eines Wohnungseigentümers ist im Grundbuch ein Nießbrauch eingetragen. Ein potenzieller Käufer wird hier Abstand vom Erwerb nehmen, da sich die Eltern ihm gegenüber auf den Nießbrauch berufen können, auch wenn dieser nicht (wirksam) begründet wurde.
Spiegelbildlich regelt Absatz 2 die Vermutung, dass ein Recht nicht besteht, wenn es im Grundbuch gelöscht ist.
Der öffentliche Glaube erstreckt sich nur auf Rechte. Bei derartigen Rechten handelt es sich um alle im BGB, ErbbauRG, WEG oder auch in Landesgesetzen geregelten und eintragungsfähigen dinglichen Rechte sowie Rechten an diesen. Hieraus folgt aber, dass sich der öffentliche Glaube nicht auf die tatsächlichen Angaben im Grundbuch bezieht, wie insbesondere im Bestandsverzeichnis zu Größe, Lage und Bebauung, da das Grundbuch in erster Linie dazu dient, das Grundstück als Gegenstand zu begrenzen, aber nicht zu beschreiben.
1.2 Verfügungsbeschränkung
§ 892 Abs. 1 Satz 2 BGB regelt Verfügungsbeschränkungen. Ist hiernach der Berechtigte an dem eingetragenen Recht in der Verfügung über sein im Grundbuch eingetragenes Recht zugunsten einer bestimmten Person beschränkt, ist die Beschränkung dem Erwerber gegenüber nur wirksam, wenn sie aus dem Grundbuch ersichtlich oder dem Erwerber bekannt ist.
Derartige Verfügungsbeschränkungen sind insbesondere
1.3 Erwerbsgeschäft
§ 892 BGB schützt nur den rechtsgeschäftlichen Erwerber, also in erster Linie den Käufer. Beim Erwerb durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung gilt der Schutz also nicht.
Voraussetzung für den Anwendungsbereich ist weiter, dass es sich um ein Verkehrsgeschäft handelt. Hierfür müssen auf Veräußerer- und Erwerberseite unterschiedliche Rechtssubjekte stehen, die auch in wirtschaftlicher Hinsicht verschieden sein müssen.
Kein Verkehrsgeschäft
Ein Verkehrsgeschäft liegt nicht vor, wenn etwa ein Gesamthandsvermögen auseinandergesetzt wird, wie bei einer Auseinandersetzung einer Gütergemeinschaft unter Eheleuten oder der Auseinandersetzung von Miterben.
1.4 Kenntnis
Ist ein Widerspruch nach § 899 BGB oder von Amts wegen eingetragen, kommt ein gutgläubiger Erwerb von vornherein nicht in Betracht, unabhängig von der Kenntnis des Erwerbers von der Unrichtigkeit des Grundbuchs. Voraussetzung ist, dass der Widerspruch vor der Eintragung des Erwerbers im Grundbuch eingetragen wird.
Im Übrigen ist positive Kenntnis des Erwerbers von der Unrichtigkeit des Grundbuchs erforderlich. Da diesen keine Erkundigungspflicht trifft, sind grundsätzlich grob fahrlässige Unkenntnis oder Zweifel unschädlich. Etwas anderes kann lediglich dann gelten, wenn sich die Unrichtigkeit geradezu aufdrängt.
1.5 Wirkung des guten Glaubens
Da der gute Glaube zugunsten des Erwerbers wirkt, erwirbt er das fälschlich eingetragene Recht mit all seinen Bestandteilen.
Sondernutzungsrecht
Im Grundbuch ist zugunsten der Sondereigentumseinheit des veräußernden Wohnungseigentümers ein Sondernutzungsrecht eingetragen, das nie begründet wurde. Zugunsten des gutgläubigen Erwerbers gilt dieses Sondernutzungsrecht als begründet.
Umgekehrt verliert der wahre Berechtigte, also derjenige, der fälschlicherweise nicht im Grundbuch eingetragen war, infolge eines wirksamen Rechtserwerbs nach § 892 BGB seine Rechtsposition. Das öffentliche Interesse an der Sicherheit des Grundbuchverkehrs überwiegt also gegenüber einem Integritätsinteresse. Entsprechendes gilt für nicht eingetragene Rechte. Sie verlieren ihre Wirkung. Im Bereich des Wohnungseigentums kann sogar der Fall eintreten, dass bei gutgläubigem Erwerb einer Sondereigentumseinheit eine Dienstbarkeit insgesamt, also auch im Verhältnis zu den anderen Sondereigentümern, erlischt.