4.1 Ausgangslage

Soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, kann jeder Grundstückseigentümer nach § 903 BGB mit seinem Grundstück nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. Diese Eigentümerbefugnisse beschränken sich nicht auf die Grundstücksfläche allein, sondern erstrecken sich nach § 905 Satz 1 BGB sowohl auf den Luftraum über als auch den Erdkörper unter der Grundstücksfläche. Der Eigentümer kann lediglich Einwirkungen anderer nicht verbieten, die in solcher Höhe oder Tiefe vorgenommen werden, dass er an ihrer Ausschließung kein Interesse haben kann (§ 905 Satz 2 BGB). Soweit also ein landesgesetzliches Hammerschlags- und Leiterrecht für den Eigentümer eines Grundstücks eine Rechtspflicht begründet, dass sein Grundstück bei notwendigen Arbeiten auf dem Nachbargrundstück betreten oder benutzt wird, stellt eine solche gesetzliche Regelung eine sich aus der Nachbarlage von Grundstücken notwendigerweise ergebende inhaltliche Beschränkung des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar. Vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund reicht das Hammerschlags- und Leiterrecht jeweils nur so weit, wie es der Wortlaut der landesgesetzlichen Regelungen zulässt. Einer weiten Auslegung sind die Landesvorschriften demgegenüber wie alle Eingriffstatbestände nach der Rechtsprechung nicht zugänglich.[1]

[1] Vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 31.7.1991, 9 W 79/91, MDR 1992, 53; OLG Stuttgart, Urteil v. 2.12.1993, 7 U 23/93, NJW 1994, 739.

4.2 Landesvorschriften im Einzelnen

In den Landesvorschriften ist das Hammerschlags- und Leiterrecht als gesetzliche Verpflichtung des Eigentümers und der Nutzungsberechtigten eines Grundstücks geregelt, unter bestimmten Voraussetzungen das Betreten und Benutzen des Grundstücks durch den Nachbarn zu dulden. Dabei unterscheiden sich die Landesregelungen sowohl hinsichtlich des Anlasses als auch des Umfangs der Inanspruchnahme des Grundstücks. Im Einzelfall ist daher ein Blick in die einschlägigen Landesvorschriften unverzichtbar.

4.2.1 Anlass für die Ausübung des Hammerschlags- und Leiterrechts

Die Unterschiede beginnen bereits beim Anlass für die Rechtsausübung. Hier lassen sich zwei Ländergruppen unterscheiden, wovon die eine Gruppe

  • nur Arbeiten an baulichen Anlagen und die andere
  • am Grundstück allgemein

zulässt.

4.2.1.1 Hammerschlags- und Leiterrecht nur für Arbeiten an baulichen Anlagen

Die einschlägigen Landesvorschriften der nachfolgenden Bundesländer räumen die Befugnis zur Ausübung des Hammerschlags- und Leiterrechts nur für Arbeiten ein, die sich auf bauliche Anlagen beziehen:

 
Bundesland Rechtsvorschriften Wortlaut
Baden-Württemberg § 7d NRG BW "eine nach den baurechtlichen Vorschriften zulässige bauliche Anlage"
Bayern Art. 46b AGBGB BY "zwecks Errichtung, Veränderung, Instandhaltung oder Beseitigung einer baulichen Anlage"
Hamburg § 74 HBauO "zur Errichtung, Änderung oder Unterhaltung von Anlagen"
Hessen §§ 28, 29 NachbG HE "zwecks Errichtung, Veränderung, Unterhaltung oder Beseitigung einer baulichen Anlage"
Rheinland-Pfalz §§ 21-25 LNRG "zwecks Errichtung, Veränderung, Reinigung, Unterhaltung oder Beseitigung einer baulichen Anlage"
Sachsen § 24 SächsNRG "zur Errichtung, Veränderung, Reinigung, Unterhaltung oder Beseitigung einer baulichen Anlage"
Thüringen §§ 21-25 ThürNRG "zwecks Errichtung, Veränderung, Reinigung, Unterhaltung oder Beseitigung einer baulichen Anlage"

Darunter fallen

  • Wohngebäude,
  • Grenzgaragen,
  • Einfriedungsmauern und
  • andere mit dem Erdboden fest verbundene, aus Baustoffen und Bauteilen hergestellte Anlagen.

Erfasst sind damit Arbeiten im Zusammenhang mit der Errichtung, Veränderung, Unterhaltung oder Beseitigung derartiger baulicher Anlagen. Teilweise wird in den Landesvorschriften ausdrücklich auch die Reinigung einer baulichen Anlage als Unterfall der Bauunterhaltung genannt. Praktischer Hauptanwendungsfall der Landesvorschriften dürften Verputz-, Ausbesserungs- oder Malerarbeiten an einer Grenzwand sein.[1]

Andere Arbeiten, die nicht bauliche Arbeiten betreffen, berechtigen in diesen Bundesländern nicht zur Ausübung des Hammerschlags- und Leiterrechts. Sind derartige Arbeiten, wie etwa ein grenzseitiger Heckenschnitt, vom eigenen Grundstück aus ohne Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks nicht durchführbar, kommt nur ein Rückgriff auf die Grundsätze des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses in Betracht.[2]

[1] Vgl. LG Duisburg, Urteil v. 28.2.1958, 7 S 295/57, MDR 1958, 514; LG Bonn, Urteil v. 7.11.1961, 2 O 104/61, MDR 1962, 306; LG Berlin, Urteil v. 14.3.1963, 52/62 S 242/62, MDR 1964, 147; OLG Hamm, Urteil v. 2.12.1965, 5 U 132/65, NJW 1966, 599; OLG Hamm, Beschluss v. 4.1.1984, 14 W 238/83, MDR 1984, 847.
[2] So AG Michelstadt/Odenwald, Urteil v. 17.3.1964, C 164/63, MDR 1964, 845.

4.2.1.2 Hammerschlags- und Leiterrecht am Grundstück allgemein

In den nachfolgenden Bundesländern ist nach den dortigen Vorschriften die Ausübung des Hammerschlags- und Leiterrechts nicht auf Arbeiten beschränkt, die nur bauliche Anlagen betreffen. Vielmehr ist in diesen Bundesländern eine Befugnis zur Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks bei der Ausführung von Bau-, Instandsetzungs- und Unterhaltungsarbeiten allgemeiner Art auf dem eigenen Grundstück gesetzlich geregelt:

 
Bundes...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge