1 Leitsatz

Der einzelne Wohnungseigentümer kann gegen einen anderen Wohnungseigentümer oder dessen Mieter nicht vorgehen, wenn das Sondereigentum entgegen einer Vereinbarung benutzt oder nur das gemeinschaftliche Eigentum gestört wird.

2 Normenkette

§§ 9a Abs. 2, 14 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, 48 Abs. 5 WEG; § 1004 Abs. 1 BGB

3 Das Problem

Wohnungseigentümer K klagt gegen Wohnungseigentümer B auf Auskunft, welche baulichen Veränderungen B von im Keller gelegenen Räumen veranlasst hat, die in B's Sondereigentum stehen (Antrag zu 1). Ferner soll B dem K Zutritt zu den Räumen zwecks Inaugenscheinnahme gewähren (Antrag zu 2), einen Deckendurchbruch zwischen seiner im Erdgeschoss gelegenen Wohnung und den Kellerräumen beseitigen und den ursprünglichen Zustand wiederherstellen (Antrag zu 3) sowie die Nutzung der Kellerräume als Wohnung unterlassen (Antrag zu 4).

Das AG gibt den Anträgen zu 1), 2) und 4) statt. Hinsichtlich des Antrags zu 3) weist es die Klage im Hinblick auf die Beseitigung des Deckendurchbruchs ab. Das LG weist die hiergegen gerichtete Berufung des K zurück. Auf die Berufung des B weist es die Klage vollständig ab. Mit der Revision verfolgt K seine Klageansprüche weiter.

4 Die Entscheidung

Ohne Erfolg! Für die Klageanträge zu 1), 2) und 3) fehle K bereits die Prozessführungsbefugnis (= die Klage ist ohne Weiteres unzulässig). Denn der Anspruch aus § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG sei der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zugewiesen. Für den Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB gelte für K im Fall als "Altkläger" nichts anderes: Denn der Verwalter habe dem BGH mitgeteilt, die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer untersage dem K, den Anspruch geltend zu machen. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer habe ihr Recht, K die Prozessführungsbefugnis zu entziehen, auch nicht verwirkt. Dies käme zwar in Betracht, wenn die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer noch vor Inkrafttreten des WEMoG das bis zu diesem Zeitpunkt mögliche Recht der Vergemeinschaftung verwirkt hätte. So liege es aber nicht.

K sei auch für einen Anspruch aus § 1004 BGB unter dem Gesichtspunkt einer behaupteten Beeinträchtigung seines Sondereigentums nicht prozessführungsbefugt. Denn seinem Vortrag lasse sich die Behauptung einer Störung im räumlichen Bereich seines Sondereigentums nicht entnehmen. Dass ggf. die Statik des Gebäudes beeinträchtigt sei, reiche nicht. Insoweit sei außerdem ein koordiniertes Vorgehen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer erforderlich. Ein Anspruch aus § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG liege in Ermangelung einer Beeinträchtigung damit auch nicht vor. Und auch für den Antrag zu 4) sei K nicht prozessführungsbefugt. Denn der Anspruch aus § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG sei ebenso wie der aus § 1004 Abs. 1 BGB (dieser nach § 9a Abs. 2 WEG) der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zugewiesen (Hinweis u. a. auf Hügel/Elzer, DNotZ 2021, S. 3, 25).

5 Hinweis

Problemüberblick

Wie im Fall des BGH, Urteil v. 28.1.2022, V ZR 106/21, geht es auch hier um die Frage, wann die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer dazu aufgerufen ist, gegen Störungen etwas zu unternehmen, und wann ein Wohnungseigentümer etwas unternehmen kann. Besondere Schwierigkeiten bereiten solche Störungen und/oder Beeinträchtigungen, die sich sowohl im gemeinschaftlichen Eigentum als auch im Sondereigentum niederschlagen.

Notwendige Unterscheidungen

Wie im alten WEG-Recht ist bei Entstörungsansprüchen in Bezug auf das Eigentum zwischen dem Sachen- und dem Schuldrecht zu unterscheiden. Ferner muss zwischen dem gemeinschaftlichen Eigentum und dem Sondereigentum unterschieden werden. Denn in Bezug auf das gemeinschaftliche Eigentum ist der Wohnungseigentümer im geltenden Recht ohne eine Ermächtigung nicht befugt, für eine Entstörung etwas zu unternehmen, sofern kein Fall des § 18 Abs. 3 WEG vorliegt.

Sachenrecht

Nach § 9a Abs. 2 Fall 1 WEG übt die Gemeinschaft die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte aus. Zu diesen Rechten gehört u. a. das Recht, nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB gegen einen Störer wegen einer Beeinträchtigung, die nicht in einer Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes besteht, auf Beseitigung oder, sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, auf Unterlassung zu klagen. Nach § 1004 Abs. 1 BGB kann ein Wohnungseigentümer, ein Drittnutzer der Wohnungseigentumsanlage, beispielsweise ein Mieter, oder ein Grundstücksnachbar verpflichtet sein. Wird das Sondereigentum durch einen Miteigentümer, einen Drittnutzer oder den Grundstücksnachbarn gestört, zum Beispiel durch ein Geräusch oder einen unangenehmen Geruch, ist allein der entsprechende Wohnungs- als Sondereigentümer berechtigt, etwas zu unternehmen.

Schuldrecht

Neben dem Anspruch aus § 9a Abs. 2 WEG in Verbindung mit § 1004 Abs. 1 BGB kennt das Wohnungseigentumsrecht schuldrechtliche Ansprüche. Diese richten sich nur gegen die Wohnungseigentümer, nicht aber gegen Drittnutzer oder Grundstücksnachbarn. Übt ein Wohnungseigentümer ein Verhalten, das in Bezug auf das gemeinschaftliche Eigentum nicht den gesetzlichen Regelungen, vor allem § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG, den Vereinbarungen oder Besc...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge