Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 03.05.2007; Aktenzeichen 27 O 327/07)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 20.08.2007; Aktenzeichen 1 BvR 1913/07, 1 BvR 2024/07)

 

Tenor

Der Antrag der Antragstellerin auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung der Berufung gegen das Urteil des LG Berlin vom 3.5.2007 - 27 O 327/07 - wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Die 1954 geborene Antragstellerin gehörte der sog. "Rote Armee Fraktion" (RAF) an. Sie wurde nach ihrer Verhaftung im August 1986 im Juni 1988 wegen u.a. eines versuchten Bombenanschlags auf eine NATO-Schule im Jahr 1984 zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren und im April 1994 wegen u.a. dreifachen Mordes im Zusammenhang mit einem Anschlag auf die US-Airbase in Frankfurt/M. 1985 zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe bei gleichzeitiger Feststellung der besonderen Schwere der Schuld verurteilt. Sie ist derzeit eine der letzten vier noch inhaftierten Angehörigen der RAF. Sie absolviert eine Ausbildung als Fotografin. 2004 wurde sie in die JVA für F. in B. verlegt, wo sie als Freigängerin untergebracht ist. Sie besucht eine Fotoschule in B.

Die Antragsgegnerin ist verantwortlich für die Tageszeitung "D.W.". Dort stellte die Antragsgegnerin am ...2007 anlässlich der eventuellen Haftentlassung im Verlauf des Jahres 2007 unter der Überschrift "RAF-Terroristen sind gewöhnliche Mörder" einen Bericht über die Antragstellerin unter deren Namensnennung ein. Den Bericht bebilderte die Antragstellerin mit zwei kleinformatigen Archivfotos der Antragstellerin. Das eine Foto (links) ist eine frontale Portraitaufnahme der Antragstellerin, entnommen einem bundesweit verbreiteten Fahndungsplakat aus dem Jahr 1985, auf dem mehrere als (mögliche) RAF-Täter gesuchte Personen abgebildet waren. Die zweite Aufnahme (rechts) ist ein BKA-Foto, das nach der Verhaftung der Antragstellerin gefertigt worden war; es zeigt Kopf und Schulterbereich der Antragstellerin von der linken Seite.

Die Antragstellerin erwirkte die einstweilige Verfügung des LG Berlin vom 27.3.2007, mit der der Antragsgegnerin die Verbreitung von Fotos aus den Jahren 1985 und 1986 im Zusammenhang mit einem Bericht über ihre mögliche Haftentlassung im Sommer 2007 untersagt wurde. Das LG hat mit Urteil vom 5.5.2007 die einstweilige Verfügung aufgehoben und den Antrag auf ihren Erlass zurückgewiesen.

Die Antragstellerin beantragt Prozesskostenhilfe für die Durchführung der Berufung gegen das Urteil des LG.

Sie will mit der Berufung beantragen, das Urteil des LG Berlin vom 8.5.2007 zum Aktenzeichen 27 O 327/07 dahingehend abzuändern, dass die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung verpflichtet wird, bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollziehen an einem der Geschäftsführer der Antragsgegnerin, es zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß (über die Antragstellerin) zu verbreiten:

die Bildnisse der Antragstellerin im Zusammenhang mit Berichten über deren Haftlockerungen und bevorstehenden Entlassung, wie in D.W. in dem Artikel vom ...2007 unter der Überschrift "RAF-Terroristen sind gewöhnliche Mörder" geschehen.

Die Antragsgegnerin tritt dem Prozesskostenhilfeantrag entgegen.

II. Die beabsichtigte Berufung hat keine hinreichende Erfolgsaussicht; der Antragstellerin kann daher Prozesskostenhilfe für die Durchführung der Berufung nicht gewährt werden.

Ein Unterlassungsanspruch aus §§ 823, 1004 BGB i.V.m. §§ 22 ff. KUG i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG steht der Antragstellerin nicht zu, denn die Veröffentlichung und Verbreitung beider Fotos ist - so wie in dem in der "W." am ...2007 erschienenen Artikel "RAF-Terroristen sind gewöhnliche Mörder" geschehen - zulässig.

Zwar hat die Antragstellerin keine Einwilligung in die Veröffentlichung und Verbreitung der verfahrensgegenständlichen Fotos gegeben (§ 22 Satz 1 KUG) und kann sich die Antragsgegnerin nicht auf die Privilegierung nach § 24 KUG berufen. Auf die Ausführungen der Antragstellerin zur streng zweckgebundenen Einwilligung in die Veröffentlichung ihres Selbstporträts in dem Kunstband und der "B.Z." kommt es nicht an, denn das LG geht von einer Einwilligung nicht aus, so dass der Angriff der beabsichtigten Berufung insoweit ins Leere geht.

Der Abdruck der verfahrensgegenständlichen Fotos fällt indes unter den Ausnahmetatbestand des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG, ohne dass berechtigte Interessen der Antragstellerin gem. § 23 Abs. 2 KUG verletzt werden.

Der lediglich mit zwei Archivaufnahmen aus der Zeit der Fahndung und der Festnahme der Antragstellerin bebilderte Bericht befasst sich - im Zusammenhang mit der möglichen Haftentlassung der Antragstellerin - mit der Historie der RAF und dem Wirken insbesondere der Antragstellerin innerhalb und für diese Gruppe. Der Artikel ist nicht boulevardmäßig, sondern sachlich abgefasst.

Die Voraussetzungen für die Befugnis...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge