Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 08.01.2015; Aktenzeichen 14 O 31/14)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des LG Berlin vom 8.1.2015 geändert:

Das gegen den Richter am LG X gerichtete Ablehnungsgesuch wird für begründet erklärt.

Der Wert der Beschwerde entspricht dem Wert der Hauptsache.

 

Gründe

Die gemäß §§ 46 Abs. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig und begründet.

Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit findet statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen (§ 42 Abs. 2 ZPO). Maßgebend dafür ist, ob aus der Sicht der den Richter ablehnenden Partei bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gegeben ist, an dessen Unvoreingenommenheit und objektiver Einstellung zu zweifeln (vgl. BGH, NJW-RR 2010, 493 Rn. 6; BGHZ 156, 269, 270 m.w.N.). Dies ist hier zu bejahen.

Nach allgemeiner Auffassung kann die Ablehnung grundsätzlich zwar nicht erfolgreich auf die Verfahrensweise oder die Rechtsauffassung eines Richters gestützt werden. Denn im Ablehnungsverfahren geht es allein um die Parteilichkeit des Richters und nicht um die Richtigkeit seiner Handlungen und Entscheidungen, deren Überprüfung allein dem Rechtsmittelgericht vorbehalten ist. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist indessen dann geboten, wenn - wie hier - die Gestaltung des Verfahrens oder die Entscheidungen des Richters sich so weit von den anerkannten rechtlichen - insbesondere verfassungsrechtlichen - Grundsätzen entfernen, dass sie aus der Sicht der Partei nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheinen und dadurch den Eindruck einer willkürlichen oder doch jedenfalls sachfremden Einstellung des Richters erwecken (KG, NJW-RR 2006, 1577).

Zwar ist es nicht zu beanstanden, dass im Gütetermin eine Erörterung des Sach- und Streitstandes durch den abgelehnten Richter unterblieben ist. Gemäß § 278 Abs. 2 ZPO geht der mündlichen Verhandlung eine Güteverhandlung voraus, wenn nicht diese erkennbar aussichtslos ist. Hierzu reicht es zwar nicht aus, dass die Parteien zerstritten sind (vgl. BVerfG NJW-RR 2007, 1073). Nach der dienstlichen Stellungnahme des abgelehnten Richters haben die Parteien jedoch übereinstimmend geäußert, dass eine gütliche Regelung für sie generell nicht in Betracht komme. Unter diesen Umständen bedurfte es keiner Erörterung des Sach- und Streitstandes in der Güteverhandlung.

Auch ist nicht zu beanstanden, dass der abgelehnte Richter der Bitte der Erörterung vor Antragstellung in der sich anschließenden mündlichen Verhandlung nicht nachgekommen ist. Gemäß § 137 Abs. 1 ZPO wird die mündliche Verhandlung dadurch eingeleitet, dass die Parteien ihre Anträge stellen. Der Vorsitzende kann zwar auch schon vor Antragstellung die Sach- und Rechtslage mit den Parteien erörtern. Hierzu ist er aber nicht verpflichtet.

Allerdings vermögen die Umstände der weiteren Prozessführung und der anschließende Erlass eines Versäumnisurteils berechtigte Zweifel an der Unvoreingenommenheit des abgelehnten Richters zu rechtfertigen.

Der abgelehnte Richter hat in seiner dienstlichen Stellungnahme nicht in Abrede gestellt, dass er nach der Aufnahme der Anträge der Beklagten einfach aufgestanden ist, geäußert hat "So, das war's" und den Klägervertreter auf dessen Frage nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung auf das Protokoll verwiesen hat, obwohl dieses lediglich mittels eines Tonbandgerätes aufgezeichnet wurde und eine Protokollierung insofern auch nicht vorgenommen worden ist. Unter den vorliegenden Umständen wäre es aus Gründen eines fairen Verfahrens angezeigt gewesen, dass der abgelehnte Richter, wenn er der Bitte nach einer Erörterung vor Antragstellung nicht nachkommt, den Klägervertreter nach Antragstellung der Beklagten und des Streithelfers darauf hinweist, dass er die mündliche Verhandlung schließen und ein Versäumnisurteil erlassen werde, damit der Klägervertreter Gelegenheit hat, zu entscheiden, ob er dieses hinnehmen oder nicht doch einen Antrag stellen will.

Rechtsfehlerhaft war es zudem, das Ablehnungsgesuch zu übergehen. Zwar enthielt der zu Protokoll genommene Ablehnungsantrag lediglich die Begründung "Das ist das Allerletzte!" und die Erklärung, eine schriftliche Begründung nachzureichen. Angesichts der vorangegangenen Auseinandersetzung über den Ablauf der mündlichen Verhandlung war für den abgelehnten Richter aber klar, worauf das Ablehnungsgesuch gestützt werden sollte. Das Ablehnungsgesuch war also nicht begründungslos und damit unbeachtlich, so dass der abgelehnte Richter eine Entscheidung über dieses herbeiführen musste.

Zu Recht hat die Klägerin auch beanstandet, dass der abgelehnte Richter am Schluss der Sitzung ein klageabweisendes Versäumnisurteil erlassen hat. Hiermit hat der abgelehnte Richter gegen die Wartepflicht des § 47 Abs. 1 ZPO verstoßen. § 47 Abs. 1 ZPO legt dem abgelehnten Richter ein Handlungsverbot auf. Er darf nur solche Handlungen vornehmen, ...

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