Leitsatz (amtlich)
I. Suchmaschinen binden regelmäßig Teile der verlinkten Inhalte in die eigene Trefferliste ein oder bilden Suchergebnisse - teilweise auch gestalterisch verändert - im eigenen Angebot ab. Eine Persönlichkeitsverletzung liegt vor, wenn die verkürzte, zusammenfassende Darstellung im "Snippet" derartig sinnentstellend ist, dass ihr ein eigener Unrechtsgehalt zukommt. In diesen Fällen trifft der "Snippet" trotz seiner automatischen Erstellung eine eigene Aussage, für die der Suchmaschinenbetreiber verantwortlich ist.
II. Den Besonderheiten der Internetsuchmaschinen wird dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass für den Zeitpunkt der Pflichtverletzung nicht bereits auf die Erstellung des Sucheintrags, sondern erst auf die Anzeige des rechtswidrigen Inhalts durch das anwaltliche Mahnschreiben und den Ablauf einer angemessenen Reaktionsfrist abgestellt wird.
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 10.09.2009; Aktenzeichen 27 O 848/09) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 1.10.2009 wird der Beschluss des LG vom 10.9.2009 - 27 O 848/09 - wie folgt abgeändert:
Der Antragsgegnerin wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, letztere zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, untersagt, auf der Website unter www.g.de zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen:
"Schowbusiness: Eklat - B.S. tritt unter Buhrufen ab ... 6.3.2008 ... Aber ein sichtlich verwirrter B.S. und ein besserwisserisches Publikum verwandelten den sprachkritischen Abend in ein ... www.w.de/.../Eklat-B.-S.-tritt-unter-Buhrufen-ab.html - Im Cache - Ähnlich".
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 10.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller ist Journalist und Sachbuchautor, der auch in Fernsehsendungen und auf Bühnen auftritt. Er nimmt die Antragsgegnerin als Betreiberin der Internetsuchmaschine G. auf Unterlassen der Verbreitung folgenden Inhalts ihrer Internetseite, der bei Eingabe des Namens des Antragstellers erscheint, in Anspruch:
"Schowbusiness: Eklat - B.S. tritt unter Buhrufen ab ... 6.3.2008 ... Aber ein sichtlich verwirrter B.S. und ein besserwisserisches Publikum verwandelten den sprachkritischen Abend in ein ...
www.w.de/.../Eklat-B.-S.-tritt-unter-Buhrufen-ab.html - Im Cache - Ähnlich".
Ein Anklicken der Überschrift führt auf die Webseite "http://www.w.de/satire/article1765091/Eklat-B.-S.-tritt-unter-Buhrufen-ab.html zu einem Beitrag in W.-ONLINE, in dem unter der Überschrift "Schowbusiness Eklat - B.S. tritt unter Buhrufen ab" über einen fiktiven Auftritt des Antragstellers am 6.3.2008 im B.S. theater berichtet wird.
Der Antragsteller hat an Eides statt versichert, er habe von dem G.-Suchergebnis erst Mitte August 2009 Kenntnis erlangt. Mit Anwaltsschreiben vom 18.8.2009 forderte er die Antragsgegnerin sowie die G.G. GmbH zur Löschung des Suchergebnisses auf. Eine Reaktion erfolgte daraufhin nicht.
Der Antragsteller ist der Auffassung, die Antragsgegnerin habe vor Veröffentlichung, jedenfalls aber nach Abmahnung, sicherstellen müssen, dass nicht durch Kürzungen und Auslassungen, namentlich durch Weglassen jeglichen Hinweises auf den Satirecharakter des angezeigten W.-ONLINE-Artikels, eine ihn belastende unwahre Tatsachenbehauptung verbreitet werde.
Das LG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Bei der streitgegenständlichen Veröffentlichung handele es sich um ein sog. snippet, das durch einen automatisierten Vorgang zustande gekommen sei. Deshalb könne es sich schon um keine bewusst unvollständige Berichterstattung handeln und fehle es an einer Persönlichkeitsverletzung des Antragstellers. Es sei das Charakteristische eines Suchergebnisses im Internet, dass der Ausgangsartikel verkürzt und nicht in seinem vollständigen Sinngehalt wiedergegeben werde. Zudem vermittle auch das "snippet" für den unbefangenen Durchschnittsleser keinen anderen Eindruck als der Ausgangsartikel, so dass die Antragsgegnerin schon deshalb keine weiteren Prüfungs- oder Löschungspflichten träfen.
Mit der sofortigen Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung weiter.
II. Dem Antragsteller steht ein Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog sowie Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG wegen einer Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu.
1. Die Antragsgegnerin als Suchmaschinenbetreiberin kann sich zwar grundsätzlich auf die Haftungsprivilegierungen nach §§ 8 - 10 TMG stützen.
a) §§ 7-10 des seit dem 1.3.2007 geltenden Telemediengesetzes (§§ 8 - 11 TDG a.F.) regeln die Verantwortlichkeit von Anbietern elektronischer Informations- und Kommunikationsdienste. § 1 Abs. 1 Satz 1 TMG gilt für sog. "Telemedien". N...