Leitsatz (amtlich)
Eine Überschreitung des Kostenvorschusses um 20 % bis 25 % durch den Sachverständigen liegt nicht über der Erheblichkeitsgrenze des § 407 Abs. 3 Satz 2 ZPO und begründet keine Hinweispflicht, deren Verletzung eine Kürzung der Sachverständigenvergütung um mehr als 120 % bis 125 % des eingezahlten Vorschussbetrages rechtfertigen könnte, auch wenn die Vergütung für den Zeitaufwand das Doppelte des Vorschusses erreicht, aber der Sachverständige seine Berechnung von sich aus auf die Erheblichkeitsgrenze reduziert hat.
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 18.02.2010; Aktenzeichen 31 O 467/07) |
Tenor
Die dem Sachverständigen zu zahlende Vergütung für seine Begutachtung gemäß dem Beweisbeschluss vom 18.2.2010 wird auf 3.709,35 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Festsetzung der Vergütung erfolgt auf der Grundlage von § 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG, nachdem der Sachverständige die Festsetzung der Vergütung beantragt hat; sie hat durch den Einzelrichter zu erfolgen (§ 4 Abs. 7 Satz 1 JVEG).
1. Der festgesetzte Betrag entspricht der von dem Sachverständigen in seinem Schreiben vom 17.2.2011 selbst berechneten Vergütung. Dieser Vergütungsanspruch ist nicht im Hinblick auf die Verletzung seiner Hinweispflicht gem. § 407a Abs. 3 Satz 2 ZPO auf die Höhe des angeforderten Kostenvorschusses i.H.v. 3.000 EUR zu reduzieren.
a) Allerdings hat der Sachverständige gegen die ihm nach § 407a Abs. 3 Satz 2 ZPO obliegende Hinweispflicht verstoßen. Nach dieser Vorschrift sind Sachverständige gehalten, rechtzeitig einen Hinweis zu geben, wenn die voraussichtlichen Kosten einen angeforderten Vorschuss erheblich übersteigen. Der Sachverständige hat dies versäumt, obwohl er nach seiner Berechnung vom 17.2.2011 insgesamt 76 Stunden für die Erstellung des Gutachtens aufgewandt hat. Bei einem Stundensatz von 95 EUR ergibt sich schon aufgrund dieses zeitlichen Aufwandes ein Vergütungsanspruch i.H.v. 7.220 EUR netto; hinzurechnen wären noch die entstandenen Schreibgebühren i.H.v. 117,10 EUR sowie die Umsatzsteuer. Der auf der Grundlage dieser Berechnung tatsächlich entstandene Vergütungsanspruch übersteigt den angeforderten Kostenvorschuss um mehr als das doppelte und damit "erheblich" i.S.v. § 407 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Eine erhebliche Überschreitung im Sinne dieser Vorschrift liegt regelmäßig schon vor, wenn die entstandenen Kosten den angeforderten Auslagenvorschuss um 20 % - 25 % übersteigen (OLG Stuttgart MDR 2008, 652 m.w.N. aus der Rechtsprechung; Zöller/Greger, 28. Aufl., § 407a Rz. 3). Die Überschreitung ist auch nicht deshalb unerheblich, weil der Sachverständige seine Berechnung von sich aus gekürzt und lediglich die Auszahlung einer Vergütung i.H.v. 3.709,35 EUR geltend macht. Diese freiwillige Kürzung macht die vorangegangene Pflichtverletzung nicht ungeschehen.
b) Eine Verletzung der Anzeigepflicht gem. § 407 Abs. 3 Satz 2 ZPO führt jedoch auch bei einer erheblichen Überschreitung einer vorgegebenen Kostengrenze nicht zwangsläufig zu einer Kürzung der Vergütung auf die Höhe des angeforderten und eingezahlten Vorschussbetrages (hier: 3.000 EUR). Eine Kürzung der Vergütung unterbleibt, wenn bei verständiger Würdigung aller Umstände unter Heranziehung eines objektiven Maßstabs davon auszugehen ist, dass auch bei pflichtgemäßer Anzeige die Tätigkeit des Sachverständigen weder eingeschränkt noch ihre Festsetzung unterbunden worden wäre. Steht fest, dass die Parteien auf die Einholung des Gutachtens trotz der erhebliche Kostensteigerung bestanden hätten, ist der Sachverständige vollständig und ohne Abschläge zu vergüten (OLG Stuttgart MDR 2008, 652).
Ob diese Voraussetzung hier gegeben ist, kann indes dahin gestellt bleiben. Selbst wenn die Parteien bei einem rechtzeitigen Hinweis des Sachverständigen auf die Klärung der Beweisfrage verzichtet hätten, ist die Sachverständigenvergütung nicht auf den eingezahlten Vorschussbetrag, sondern allenfalls auf 120 % bis 125 % dieses Betrages zu reduzieren (OLG Stuttgart MDR 2008, 652, 653; OLG Nürnberg MDR 2003, 479). Dies beruht darauf, dass eine Überschreitung des Kostenvorschusses um 20 % bis 25 % für sich genommen noch nicht über der Erheblichkeitsgrenze des § 407 Abs. 3 Satz 2 ZPO liegt und daher noch keine Hinweispflicht des Sachverständigen begründet. Weil unerhebliche Vorschussüberschreitungen nicht mit einer Verletzung der Hinweispflicht einhergehen und nicht auf sie zurückgeführt werden können, bleiben sie ohne Auswirkungen auf den Vergütungsanspruch des Sachverständigen. Dem Sachverständigen steht daher trotz Verletzung seiner Hinweispflichten ein Vergütungsanspruch i.H.v. 120 % - 125 % des eingezahlten Vorschussbetrages zu.
Der Sachverständige ist daher trotz unterbliebener Anzeige i.H.v. 3.709,35 EUR zu vergüten. Diese Vergütung übersteigt den angeforderten Vorschuss zwar um 23,65 %. Unter Berücksichtigung der Höhe der Gutachterkosten, des Umfangs der Sachverständigentätigkeit und der vom Sachverständigen selbst vorgenommenen Kürzungen überschreitet dieser Betrag die Erheblichkeitsgrenz...