Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1, Art. Art. 14 Abs. 1; BGB § 1612b Abs. 5

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Aktenzeichen 144 FH 4031/01)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 31.7.2001 wird auf seine Kosten nach einem Wert von bis zu 1.200 DM zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Der 1985 geborene Antragsteller ist der Sohn des Antragsgegners. Dieser verpflichtete sich aufgrund einer durch das Bezirksamt Köpenick am 5.1.1995 errichteten vollstreckbaren Urkunde zu Unterhaltsleistungen gegenüber dem Antragsteller.

Der Antragsteller beantragte im vereinfachten Verfahren nach Art. 5 § 3 KindUG i.V.m. § 655 ZPO, den vorgenannten Unterhaltstitel im Hinblick auf den neu in Kraft getretenen § 1612b Abs. 5 BGB abzuändern. Das AG hat den Titel antragsgemäß abgeändert. Dagegen wendet sich der Antragsgegner, soweit dadurch eine hälftige Anrechnung des staatlichen Kindergeldes entfiele. Er ist der Ansicht, die neue Fassung des § 1612b Abs. 5 BGB sei verfassungswidrig.

II. 1. Die sofortige Beschwerde ist nach § 655 Abs. 5 ZPO zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht eingelegt und ist auch statthaft. Indem der Antragsgegner sich gegen die Verfassungsmäßigkeit von § 1612b Abs. 5 BGB wendet, macht er letztlich gem. § 655 Abs. 5 S. 2, Abs. 3 S. 1 ZPO eine Einwendung gegen die Berechnung des Unterhaltsbetrags nach § 1612b BGB geltend.

2. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet, da das AG zutreffend von der Verfassungsmäßigkeit des § 1612b Abs. 5 BGB ausgegangen ist und damit das Kindergeld zu Recht nur anteilig abgezogen hat.

Der Senat geht in Übereinstimmung mit der einheitlichen Rechtsprechung der OLG davon aus, dass § 1612b Abs. 5 BGB im Einklang mit der Verfassung steht (vgl. OLG Düsseldorf v. 28.5.2001 – 8 UF 46/01, FamRZ 2001, 1096ff; OLG Stuttgart JAmt 2001, 552 ff.; OLG München v. 27.6.2001 – 2 WF 932/01, NJW-RR 2001, 1664 f.; OLG Celle JAmt 2001, 368; OLG Hamm JAmt 2001, 368; OLG Stuttgart FamRZ 2002, 177 ff.; OLG Nürnberg v. 15.11.2001 – 11 UF 3092/01, OLGReport Nürnberg 2002, 46 f.).

a) Die Regelung des § 1612b Abs. 5 BGB verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Der Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verbietet zunächst, wesentlich Gleiches willkürlich ungleich zu behandeln (BVerfG BVerfGE 49, 148 [165]). Eine willkürliche Ungleichbehandlung liegt zunächst nicht darin, dass der den Betreuungsunterhalt leistende Elternteil seine Hälfte des Kindergeldes behalten darf, hingegen dem Barunterhaltspflichtigen sein hälftiger Anteil am Kindergeld – zumindest anteilig – wirtschaftlich vorenthalten wird, wenn er nach seinem Einkommen weniger als 135 % des Regelbetrages zu leisten hat und damit das Existenzminimum des Kindes nicht sichert. Hierin liegt zwar eine Ungleichbehandlung von Gleichem, diese ist aber nicht willkürlich, da ein sachlicher Grund gegeben ist. Der sachliche Grund liegt darin, dass der Barunterhaltspflichtige nicht in der Lage ist, das Existenzminimum des Kindes sicherzustellen. Auf der anderen Seite erbringt der andere Elternteil in vollem Umfang seine Unterhaltsleistung durch die Betreuung des Kindes, was gem. § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB dem Barunterhalt gleichsteht. Eine Pflicht zur Unterhaltsleistung in Form der Geldleistung besteht neben dem Betreuungsunterhalt grundsätzlich nicht. Somit obliegt es im Ergebnis dem Barunterhaltspflichtigen, das Existenzminimum finanziell zu sichern und hierfür das hälftige Kindergeld zu verwenden.

Eine willkürliche Ungleichbehandlung liegt auch nicht darin, dass bei Barunterhaltspflichtigen ab der Einkommensgruppe 6 der Düsseldorfer Tabelle das hälftige Kindergeld auf die Unterhaltszahlungsverpflichtung angerechnet wird, während in den Einkommensgruppen 1 bis 5 eine Anrechnung – wenn überhaupt – nur teilweise erfolgt. Der sachliche Grund für diese Ungleichbehandlung liegt in dem Zweck des Kindergeldes. Das Kindergeld stellt eine pauschale steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrages in Höhe des Existenzminimums eines Kindes dar. Hierdurch sollen die Unterhaltspflichtigen zwar entlastet werden, allerdings zu dem Zweck, so leichter das Existenzminimum für das Kind aufbringen zu können. Erst wenn das Kindergeld hierzu nicht erforderlich ist, findet es Verwendung für die generelle Förderung der Familie (vgl. § 31 S. 1 EStG). Sind also Unterhaltsverpflichtete nicht in der Lage, das Existenzminimum zu erbringen, so ist es gerechtfertigt, das hälftige Kindergeld direkt zur Wahrung des Existenzminimums einzusetzen und so nicht in Abzug zu bringen. Eine Anrechnung in diesen Fällen würde dazu führen, dass ein Kind, das vom Barunterhaltspflichtigen noch nicht einmal einen Betrag in Höhe des Existenzminimums ausgezahlt bekommt, durch die Anrechnung des Kindergeldes, das das Existenzminimum mittelbar wahren soll, noch weniger an Unterhalt erhält. Umgekehrt führte eine generelle Verweigerung des Abzugs von Kindergeld in allen Einkommensgruppen dazu, dass Kinder ab der 6. Einkommensgruppe immer den jeweiligen Betrag der Düsseldor...

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